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schnappen der Küchentür davon, daß Herr Emanuel
Sängerkrug wieder zu sich selbst gekommen sei.
Nach drei Tagen mußten Merks an die Beerdigung des
Kindes denken. Ida war seit dem Unglückstag nicht nach
der Fabrik gegangen, das grauenhafte Schicksal ihres Letzt⸗
geborenen hatte sie körperlich so elend gemacht, daß es den
Anschein hatte, als wäre sie plötzlich um Jahre älter ge⸗
worden. Gram und Kummer lagen in ihren Zügen,
und eine gewisse Härte sprach aus den Linien der Mund⸗
winkel. Es erschien ihr bei alledem wie eine Wohltat, daß
wenigstens das Haus Anteil an dem schweren Schlag
nahm. Man versuchte ihr das auf alle mögliche Weise
zu bezeugen. Sie hatte auch noch niemand Veranlassung
gegeben, ihr mit dem Gegenteil aufzuwarten. So lange
sie hier wohnten, sah man sie früh morgens wie eine
fleißige Frau zur Arbeit gehen und abends matt und
müde heimkehren. Mehr konnte sie nicht tun, als sie tat.
Am anderen Tage kamen die Frauen, um ihr Trost
zuzusprechen. Aus den Beileidsmienen lugte auch die
Neugierde hervor, die sich am Anblick der kleinen Leiche be—
friedigen wollte, um dabei einen Blick in die Wohnung zu
werfen. Man mußte doch auch schließlich genau erfahren,
wie das Unglück sich zugetragen habe, damit die Nachbar—
schaft aus direkter Quelle darüber sprechen konnte. Am
Ende wurde Idas Mann die ganze Schuld in die Schuhe
geschoben. Der hatte also während der Zeit, wo die Kinder
eingeschlossen waren, unten beim Budiker gesessen, hatte
sich betrunken? Das war bedenklich genug, umsomehr,
da er in der ersten Zeit für einen ganz soliden Mann ge—
halten wurde; aber natürlich — wer in die Hände Jakobs
fiel, der hatte sich gerade die richtige Gesellschaft ausgesucht.
Bei dieser Gelegenheit lernte Ida auch Fräulein Dor⸗
chen kennen. Die blasse Kleine trat zögernd, mit einem
Kranz in der Hand, herein und bat leise, man möge ihn nur
annehmen, sie habe die Kinder so gern. Ob es ihr gestattet
sei, ebenfalls mit nach dem Kirchhof zu kommen? Sie