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Drittes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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lohn. Sehen Sie nur den echten Goldrahmen, der hat den 
doppelten Wert. In jedem Laden kostet solch Bild zehn 
Mark, und hier kriegen Sie beide für lumpige anderthalb 
Mark. Nach Abnahme der ersten dreißig Hefte bekommen 
Sie das eine Bild, beim sechzigsten das zweite. Sie müssen 
nämlich wissen, daß die Gemälde noch in der Herstellung 
begriffen sind und uns viele Mühe machen.“ Dabei pflegte 
er in der Regel seine riesige Schnupftabaksdose hervorzu⸗ 
ziehen, eine Prise zu nehmen und einen prüfenden Blick 
auf die Opfer seiner Firma zu werfen. Man malte sich 
sofort im Geiste aus, wie schön sich die beiden Bilder an 
der Wand über dem Sofa ausnehmen würden. Außer— 
dem schien es hier sich wirklich um eine interessante Lek— 
türe zu handeln, welche die Schurkereien der Reichen einem 
armen Mädchen gegenüber wieder mit ungeschminkter 
Wahrheit bloßlegen würde. Man zögerte also nicht lange, 
kaufte vorläufig das erste Heft, berauschte sich förmlich an 
den aufregenden Ereignissen der ersten Kapitel und lechzte 
nach dem zweiten, wie nach einer wohlschmeckenden Speise, 
die man lange entbehrt hat. 
Nach und nach gewöhnte man sich daran, allwöchentlich 
den letzten Groschen für die „hübsche Geschichte“ auszu— 
geben, entbehrte lieber etwas anderes dafür und borgte 
sich das Zehnpfennigstück von einer Nachbarin, ehe man 
den Gedanken an den Besitz der Prämienbilder aufgab. 
Die jungen Mädchen nun gar, die früh morgens mit ihren 
Stullen nach der Fabrik gingen, schwelgten förmlich in 
den Genüssen einer verschrobenen Widerspiegelung des 
Lebens und konnten die Zeit nicht erwarten, wo sie die halbe 
Stunde der Vesper- oder Frühstückszeit, die Stunde der 
Mittagspause dazu benutzen durften, den Inhalt in sich 
aufzunehmen. Und während sie ihren Kaffee tranken, sich 
die einzelnen Bissen in den Mund zählten, lasen sie von 
den Perlen und Diamanten irgend einer Schönheit, die, 
wie sie arm geboren, dereinst durch das leichte Opfer ihrer 
Tugend im Wohlleben schwelgen durfte.
	        
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