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Drittes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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keiten hinzu, die ganz speziell für sein Gegenüber bestimmt 
waren. 
Fräulein Dorchen war ein blasses, schwächlich gebautes 
Beschöpf von zweiundzwanzig Jahren. Sie bewohnte in 
edr dunkelsten Ecke des Hauses eine kleine Kammer, die sie 
lelbständig vom Wirt gemietet hatte. Das ganze Haus 
nannte sie nur „Fräulein Dorchen“. Vor drei Jahren war 
sie hier eingezogen, seit der Zeit hatte man sich daran ge⸗ 
wöhnt, in Dorchen ein harmloses, gutmütiges Geschöpf 
zu sehen, das von früh bis spät hinter der Nähmaschine 
saß, um sich durch Wäschenähen redlich zu ernähren. Man 
—— 
das war des Sonntags, wenn sie zur Kirche ging. Ihren 
eigentlichen Namen wußte wohl nur Herr Zipfel, der mit 
einer gewissen Hochachtung von ihr sprach, weil sie pünkt⸗ 
lich ihre Miete zahlte. Nur das war bekannt, daß sie seit 
frühester Jugend eine Waise sei und seit dem Verlust ihrer 
Pflegeeltern allein in der Welt dastehe. Sie war eine 
überaus muntere, stets zum Scherzen geneigte Person, 
deren silberhelles Lachen das Haus durchschallte, wenn sie 
am geöffneten Fenster hinter ihrem „Garten“ halb ver—⸗ 
borgen, sich über die Drolligkeit der Kinder auf dem Hof 
vortrefflich amüsierte. Dieser „Garten“ bestand aus dem 
viereckigen, grün angestrichenen Blumenkasten, der das 
Außenbrett des Fensters zierte. 
Dorchen hatte ihre Träume und Ideale, wie jedes an⸗ 
dere Mädchen; sie hatte auch phantastische Vorstellungen 
von einem glänzenden Leben, mit herrlichen Karossen ge— 
schmückten Bräuten und reichen Grafen und Fürsten, die 
ihr glückliches Liebchen nach langen, siegreichen Kämpfen 
auf ihre Burgen und Schlösser heimführen. Und während 
ihre Finger sich krampfhaft mühten, das tägliche Brot zu 
schaffen, träumte sie mit offenen Augen von den goldenen 
Apfeln der Hesperiden. 
Wenn sie beim Klappern der Maschine ein fröhliches 
diedchen trällerte, so erweckte sie den Neid des Kanarien⸗ 
vogels, ihes kleinen Gefährten im Zimmer. Er war der
	        
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