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das gut zu machen, was er an seinem eigenen verbrochen
hatte. Da war so manches liebliche Mädchenantlitz im
zartesten Alter, das ihn mit großen Taubenaugen anblickte,
als wollte es ihm fortwährend jene Auglein ins Gedächt-
nis rufen, die ihn unschuldig angeschaut, während eine rüh—⸗
rende Stimme zum ersten Male „Papa“ ctammelt hatte.
Einen derartigen Anblick konnte der MNime nicht lange
ertragen, ohne daß es ihm nicht heiß in den Augen wurde.
Sofort entsann er sich, daß er vom vergangenen Abend
noch Bonbons, Zuckerwerk, ein Stückchen Kuchen oder
eine Apfelsine in der Tasche habe. Mit dem Griff darnach
und dem Stehenbleiben vor der Kinderschar war dann
der große Augenblick gekommen. wo „Onkel Schauspielers“
Rockschöße herhaͤlten mußten, ich von einem Dutzend
kleiner, zum Teil schmutziger Patschen festgehalten zu
sehen, die alle das lebhafteste Bestreben zeigten, nicht eher
ihren Angriff zu unterlassen, bis ein Teil der Süßigkeiten
aus Herrn Sängerkrugs Hand ihre Besitzer irgend einen
versteckten Schmollwinkel im Flur oder auf den Treppen—
stufen aussuchen hieß.
Bei derartigen erquickenden Szenen, die sich tagtäglich
wiederholten, pflegte sich in der eingebauten Ecke des
Hauses hinter dem Brunnen ein Parterrefenster zu öffnen.
Mit der regelmäßigen Begrüßung: „Guten Tag, Herr
Sängerkrug, — wie geht es Ihnen?“ zeigte sich ein brü—
netter Mädchenkopf, dessen Augen sich an der Balgerei der
Kleinen um das Zuckerwerk zu weiden schienen. Dann
folgte die Erwiderung des Komikers, der mit der ganzen
Grazie seiner ausgesprochenen Höflichkeit eine tiefe Ver—
beugung machte: „Ich danke Ihnen sehr, mein hochver—
ehrtes Fräulein. Wie immer ausgezeichnet, wenn mich
die Naschhaftigkeit der kleinen Menschen amüsiert. Wissen
Sie, — Kinder sind wie Diamanten, die durch Schleifen
erst ihren Wert erhalten, sie sind gleichsam Treibhaus—
pflanzen, die man äußerst zart behandeln muß, sollen sie
nicht früh dahinwelken.“ Dabei zeigte er wieder seine
weißen Zähne und fügte seinen Worten ein paar Artiq⸗