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bes Mannes zeigte. So kam es denn oft vor, daß bei häus-
lichen Szenen „der Schauspieler dort oben“ in unsanfter
Weise mit hineingeflochten wurde. Der solle sich doch
wirklich um seine saubere Wirtin kümmern, ehe er anstän—
digen Frauen den Kopf verdrehe. Aber man mußte nur
die Weiber kennen: sie sahen es gern, wenn jemand Glac«a
handschuhe trug, stets mit wohlgefälligen Worten aufzu—
warten hatte und überdies auch noch eine angenehme Larve
zeigte. Schließlich war alles doch nur wohlfeiler Schein,
der im ganzen Gegensatz zu den schmutzigen Blusen im
Hause stand. Denn wer einen Rock und einen Gott hatte,
der brauchte wahrhaftig nicht groß zu tun und beim Dahin⸗
schreiten über den Hof die Beine vor einander zu setzen,
als müßte jeder Stein sich extra dafür bedanken, von den
Füßen solch eines großen Mannes betreten zu werden.
Und doch war Herr Sängerkrug wirklich nicht der ge—
fährliche Mann, zu dem man ihn im Hause stempeln wollte.
Das bewies am besten die Liebe zu den Kindern, die von
den Kleinen in der Mietskaserne mit aller Innigkeit herziger
und reiner Seelen erwidert wurde.
„Onkel Schauspieler“ war mit der Zeit bei diesen Ar—
beiterkindern zu einem Begriff geworden, der untrennbar
von dem Gedanken an Süßigkeiten jeder Art war. Diese
Kleinen dachten darüber vornehmer als ihre zornigen Vä⸗
ter. Herr Emanuel Sängerkrug hatte auch immer etwas
für die kleine Welt im Hause übrig. Wenn er an schönen
Tagen über den Hof schritt und auf dem großen Sandberg
in der Nähe des Brunnens die Unmenge Kinder erblickte,
die wie Regenwürmer im Sande wühlten, gruben, sich nach
Möglichkeit beschmutzten, um sich frühzeitig und unbewußt
an den Schlamm des Lebens zu gewöhnen, so fühlte Herr
Emanuel Sängerkrug jedesmal ein menschliches Rühren,
das ihn die Schritte bannen ließ. Seine Seele beschlich
der Gedanke an sein eigenes Kind, das vielleicht durch seine
Gewissenlosigkeit in ähnlicher Weise den Lebensweg zu
allmählicher Verkommenheit betreten hatte. Es war ihm
dann, als hätte er an fremden Kindern durch irgend etwas