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Drittes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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der Liebe und Pflege. So wurde schließlich die größte 
Tollheit des Komikers und Possenreißers zum Labsal 
seiner Seele. Jahre waren dahingerollt, er hatte im Alter 
das nicht erreicht, was die brausende Jugend mit falschen 
Idealen ihm versprochen hatte. Von Triumphen und Lor— 
beeren hatte er geträumt, Brennesseln und Disteln hatte 
das Leben ihm gegeben. Zuerst hatte er noch versucht, 
in den Gedanken der Vergangenheit zu schwelgen, dann 
hatte er alles: verlorene Liebe, verlorene Ehre, zugefügte 
Unbill des Daseins und zertrümmerte Hoffnungen im 
Lachen zu ersticken gewußt. Er trieb Possen, die niedrigsten, 
lächerlichsten Possen, um den Menschen den Blick in seine 
Seele zu verwehren und sich selbst zu betäuben, so gut es 
ging. Er wollte nicht denken, deshalb verschlief er den 
ganzen langen Tag. Der Abend mit seinen Zerstreuungen 
erschien ihm wie eine Fortsetzung des Schlummers am Tage. 
Und doch wiederholten sich täglich die Stunden, wo Herr 
Emanuel Sängerkrug hinter dem blaugestreiften Papier- 
ryuleau im Traume von einem lieblichen Mädchenantlitz 
umgaukelt wurde, das vergeblich nach einem Vater rief. 
Das war die ewige Mahnung seines Gewissens, die in ein⸗ 
—DD 
mit dem Ernst des Menschen hielt, ihm eine Verbindung 
mit Madame Friederike Zierling wie etwas Grauenhaftes 
erscheinen ließ, das durch die drohende Hand einer Toten 
abschreckende Form und Gestalt bekam. 
Es war charakteristisch, daß in demselben Grade, wie 
die Frauen im Hause Herrn Sängerkrug stets gern sahen 
und in seinem etwas unaufgeklärten Verhältnis zur Zier— 
ling nur noch einen größeren Nimbus des Interessanten 
erblickten, die Männer alle Ursache zu haben glaubten, 
dem Komiker bei jeder Gelegenheit ihren Widerwillen 
gegen seine bevorzugte Stellung im Häuserquadrat zu be⸗ 
zeugen. Sie trauten nun einmal einem geschniegelten und 
gebügelten Komödianten nicht, der jeder Schürze nachlief. 
Wer konnte wissen, was am Tage passierte, wenn man sich 
bei harter Arbeit quälte und die Wohnung nicht die Augen
	        
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