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der Liebe und Pflege. So wurde schließlich die größte
Tollheit des Komikers und Possenreißers zum Labsal
seiner Seele. Jahre waren dahingerollt, er hatte im Alter
das nicht erreicht, was die brausende Jugend mit falschen
Idealen ihm versprochen hatte. Von Triumphen und Lor—
beeren hatte er geträumt, Brennesseln und Disteln hatte
das Leben ihm gegeben. Zuerst hatte er noch versucht,
in den Gedanken der Vergangenheit zu schwelgen, dann
hatte er alles: verlorene Liebe, verlorene Ehre, zugefügte
Unbill des Daseins und zertrümmerte Hoffnungen im
Lachen zu ersticken gewußt. Er trieb Possen, die niedrigsten,
lächerlichsten Possen, um den Menschen den Blick in seine
Seele zu verwehren und sich selbst zu betäuben, so gut es
ging. Er wollte nicht denken, deshalb verschlief er den
ganzen langen Tag. Der Abend mit seinen Zerstreuungen
erschien ihm wie eine Fortsetzung des Schlummers am Tage.
Und doch wiederholten sich täglich die Stunden, wo Herr
Emanuel Sängerkrug hinter dem blaugestreiften Papier-
ryuleau im Traume von einem lieblichen Mädchenantlitz
umgaukelt wurde, das vergeblich nach einem Vater rief.
Das war die ewige Mahnung seines Gewissens, die in ein⸗
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mit dem Ernst des Menschen hielt, ihm eine Verbindung
mit Madame Friederike Zierling wie etwas Grauenhaftes
erscheinen ließ, das durch die drohende Hand einer Toten
abschreckende Form und Gestalt bekam.
Es war charakteristisch, daß in demselben Grade, wie
die Frauen im Hause Herrn Sängerkrug stets gern sahen
und in seinem etwas unaufgeklärten Verhältnis zur Zier—
ling nur noch einen größeren Nimbus des Interessanten
erblickten, die Männer alle Ursache zu haben glaubten,
dem Komiker bei jeder Gelegenheit ihren Widerwillen
gegen seine bevorzugte Stellung im Häuserquadrat zu be⸗
zeugen. Sie trauten nun einmal einem geschniegelten und
gebügelten Komödianten nicht, der jeder Schürze nachlief.
Wer konnte wissen, was am Tage passierte, wenn man sich
bei harter Arbeit quälte und die Wohnung nicht die Augen