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Drittes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

Miete nicht länger stunden. O, ich habe gebettel: und ge— 
beten — mein ganzes Mitleid für die Armen und Elenden 
habe ich ihm ausgeschüttet, aber er blieb hart wie Stahl.“ 
Herr Christoph Zipfel pflegte hierauf mit der Hand über 
die Augen zu fahren, als hätte er ein paar Tränen zu zer⸗ 
drücken. In solchen Minuten zeigte er eine wahre Leichen⸗ 
bittermiene, die von höchster Trauer um den entseztzlichen 
Verlust dieses Mieters zeugte. Er faßte in die Tasche und 
uberreichte, immer noch verschwommenen Auges, das Ul⸗ 
timatum des Hauswirts, das die Aufforderung enthielt, 
binnen vierundzwanzig Stunden die rückständige Miete zu 
bezahlen, widrigenfalls die Exmission vor der Tür stehe. 
Und wenn dann Herr Christoph Zipfel, um der dumpfen 
Pause, die einer derartigen Votschaft folgte, zu entgehen, 
nach seinem Keller hinabstieg, verriet das Zusammen⸗ 
keifen des linken Auges die ganze Komödie, die er wieder 
einmal vortrefflich gespielt hatte. Was sollte man auch 
noch mit dieser Familie im Hause! Der Mann hatte bei 
ihm des Abends seine Groschen gelassen, und die Frau am 
Tage Eßwaren von ihm bezogen. Er war somit vortrefij⸗ 
lich auf seine Rechnung gekommen. Jetzt war bei den 
Leuten nichts mehr zu holen, man hieß sie also einfach 
gehen, nackt wie sie waren. Aber nur nicht grob sein, 
immer leise, ohne Aufregung! In diesem Hause blieb eine 
Wohnung keine acht Tage leer stehen, man brauchte also 
ohne Sorge zu sein. 
Derartige Exmissionen wiederholten sich in jedem Quar⸗ 
tal. Auf dem Boden des Vorderhauses hatte sich bereits 
eine Sammlung aller nur möglichen Möbelstücke ange— 
häuft, die den Raum zu einer kleinen Trödelbude machte. 
Hin und wieder kamen die Exmittierten und zahlten in 
kleinen Summen die rückständige Miete ab. Dafür gab 
man ihnen stückweise Möbel und Wirischaftsgegenstände 
heraus. Viele ließen sich aber gar nicht mehr sehen, denn 
sie hielten die ganze Wirtschaft für nicht so viel wert als 
die rückständige Miete. Dann machte man kurzen Prozeß. 
Die Sachen wurden öffentlich versteigert. Man brauchte
	        
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