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fühlte er sich als Mensch verpflichtet, ihr nach Kräften
zu steuern, ihr von vornherein die Verbreitung als Epidemie
zu nehmen. Sobald eine Frau am Anfange des Monats,
ohne das bekannte, blaue Mietsquittungsbuch in der Hand
zu haben, zu ihm herunterstieg, so wußte er bereits, was
er davon zu halten hatte. Dann hieß es gewöhnlich: „Ihr
Mann hat wieder keine Arbeit? O, das tut mir leid; aber
nur nicht gleich heulen, die Sache wird schon schiefgehen.
Sie können die Miete erst nächste Woche bezahlen? Aber
reden Sie doch nicht, liebe Frau Soundso, gewiß warte
ich, gar keine Frage! Paragraph Eins heißt bei mir: Nur
nicht grob sein, immer leise, ohne Aufregung.“ Oder in
einem anderen Falle sagte er: „... Sie wollen auch den
zweiten Monat gestundet haben? Hm — das ist schlimm,
aber man braucht deswegen nicht gleich zu weinen, meine
liebe Frau Soundso. Kommen Sie, trinken wir doch einen
Magenbittern, dann wird die Sache schon schief gehen.
Nur nicht grob sein, immer leise, ohne Aufregung.“ Dabei
spielten die Finger der rechten Hand auf seinem runden
Bauch, und das leutselige, bartlose Mondscheingesicht zeigte
einen Anstrich aufrichtiger Teilnahme.
Herr Christoph Zipfel konnte sich eine derartige Men⸗
schenfreundlichkeit auch ohne eigenen Schaden leisten. Er
ieferte das Geld erst am Ende eines jeden Quartals ab,
durfte also in einem gewissen Sinne Duldung üben. Die
Miete lief am Ende doch nicht weg, dafür verstand er vor⸗
trefflich zu sorgen. Gerückt konnte in diesem Hause nicht
werden, so lange er noch Christoph Zipfel hieß und die
Augen eines Luchses hatte.
Länger als ein Vierteljahr hielt sich die Menschen-
freundlichkeit des Vizewirtes überhaupt nicht. Dann zeigte
sich plötzlich seine Rüchsichtslosigkeit im höchsten Grade, aber
nur innerlich, äußerlich wurde er nun noch weicher und
milder gestimmt. Dann hieß es: „... Es tut mir leid, bis
in die Seele leid, liebe Frau Soundso, aber ich konnte
nichts dagegen machen. Ich kann einen Eid leisten, daß ich
nichts dagegen machen konnte. Herr Rentel will ihnen die