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interesse der Bewohner drehte, war Christoph Zipfel, der
Vizewirt des Hauses. Der ehrenwerte Herr Zipfel betrieb
im Kellergeschoß des linken Vorderflügels mit Erfolg ein
Schankgeschäft, verbunden mit Speisewirtschaft. Man
durfte behaupten, daß er fast allein von den Einnahmen
der Mieter des Hauses lebte. Nach Feierabend, wenn
die Legion der Schlafburschen von der Arbeit heimkehrte,
füllten sich die Räume der Zipfelschen Budike. Zu den
jungen Leuten gesellte sich dann ein Teil der verhei⸗—
rateten Arbeiter, die, ehe sie die finsteren Hintertreppen
hinaufstiegen, mit Grauen an das enge Wohnzimmer
dachten, in dem der Geruch von Essen und frisch gewaschener
Wäsche sich mit der muffigen Luft eines engbewohnten
Raumes mischte, dessen Fenster selten geöffnet wurden.
Sah man sich dann wieder im Geiste von drei oder vier
Rangen umringt, die durch ihr fortwährendes Plärren und
Schreien das Abendbrot zu verleiden im stande waren,
dachte man an die Frau, die sofort die erste Gelegenheit
wahrnahm, darauf aufmerksam zu machen, daß man am
anderen Tage wieder nicht wisse, woher man das Mittags⸗
essen schaffen solle — so pflegte man nicht zu zaudern,
sondern schritt die sechs ausgetretenen Stufen zu Herrn
Christoph Zipfel hinunter, um vorerst einen kleinen Ab⸗
stecher zu machen und gute Bekannte zu begrüßen. Und
wenn man auch keinen Pfennig Geld in der Tasche hatte,
das genierte nicht weiter, hier fand man Kredit bis zum
kommenden Lohntag. Es war nun einmal Mode in diesem
Hause, daß die Frauen Schmalz und Wurst und die Männer
Schnaps und Bier ankreiden ließen. So wurde denn weid⸗
lich debattiert, und das Herz gegenseitig wacker ausge—
schüttet. Man hechelte die soziale Frage durch, schimpfte
auf die Bourgeois und die ganze Fabrikantensippe, ließ
sich einen Kümmel mit Pfefferminze nach dem andern
einschenken, gröhlte mit schiefgerückten Mützen, schlug
dazu den Takt auf den Tisch, schrie wild durcheinander, um
immer das Wort zu haben, und taumelte dann erst in
spaͤter Stunde die Hintertreppe zum Hofe hinauf. In der