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küßten, hüpfte dann über die gekräuselten Wellen und
flüsterte ihnen einen Totengesang zu, den sie nun anstim⸗
men sollten. Und nun raste der Sturm, heulte in diesem
unendlichen Dom, dessen dunkle Kuppel sich immer mehr
herniederzusenken drohte, um die ganze Welt zu erdrücken.
Und dieses gewaltige Dunkel durchzuckte eine glühende
Schlange, der ein Schlag folgte, als wollte die Erde bersten.
Nun verschwand auch der letzte fahle Streifen am Horizont.
Ein gewaltiger dunkler Nebelflor erhob sich auch dort und
stieg, wie von unsichtbarer Hand gezogen, langsam empor
und nahm das letzte Licht des Himmels. Schwül war die
Luft, schwül zum ersticken. Wieder flammte es auf, wieder
grollte es, erklang die Orgel des Himmels in dumpfen Lau⸗
ten. Und unten aufs neue das Heulen, Wimmern und Pfei—
fen der trockenen Elemente, das Zischen, Branden und
Peitschen des rasenden Sees, der nach seinen Opfern
lechzte. Man sah nicht mehr die Menschen, nicht mehr die
Sträucher, nicht mehr das Wasser, nicht mehr die Erde und
auch nicht mehr den Himmel, — man vernahm nur ein
fürchterliches Zürnen der Gewalten der Natur. Jetzt
summte und schwirrte es durcheinander wie in einem Rie—
senorchester, jetzt drehte sich alles wahnsinnig im Kreise. Die
Bäume ächzten, die Sträucher zitterten, die Erde wankte,
das Wasser bäumte sich auf.
„Magda, liebst du mich noch?“ Ein Beben und An—
klammern als einzige stumme Antwort. Um ihm Mut
zu machen, stürzte sie sich zuerst hinein.
„Magda!“ brüllt er auf. Er will sie fassen, aber er
lieht sie nicht mehr, denn Nacht umgibt ihn.
Mitten in den Sturm, das Getöse der Elemente hinein,
zitiert er als Grabgesang im Wahnsinn Heines Worte:
„Ganz anders ist es mit Poeten,
Die kann der Tod nicht gänzlich töten;
Uns trifft die weltliche Vernichtung,
Wir leben fort im Land der Dichtung,
Zu Avalon, dem Feenreiche,
Keb' wohl auf ewig, schöne Leiche.“