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einen Sebensunterhalt für dich,“ hatte er lachend gesagt.
„Du hast doch die Mutter Knabe gekannt, die in den Knei—
pen handeln ging?“ Sie wußte, was er damit sagen wollte.
Bei diesem Namen stand ihr wieder alles vor ihren Augen:
verlorene Jugend, verlorene Ehre, verlorenes Glück.
„Eher sterben !“ hatte sie darauf erwidert, und er: Nun
gut, ich nehme dich beim Wort.“
So waren sie hinausgewandert, untergefaßt wie da—
mals am Weihnachtsheiligabend, nur nicht schwelgend im
Glück der sonnigen Zukunft, sondern Nacht, tiefschwarze
Nacht vor Augen. Sie schmiegten sich einander an und
fröstelten wie damals, nur traf dieser Kälteschauer diesmal
ihre Seelen. Der Regen hatte nachgelassen, die nassen
Straßen glänzten im fahlen Glanz der letzten Dämmerung.
Sie befanden sich noch in der Friedrichstraße, nahe dem
Oranienburger Tor. An einer Ecke kam ihnen ein elegant
gekleideter, junger Herr entgegen, der sie erblickte, einen
Augenblick wie zögend stehen blieb und dann zur Seite
trat, um, von ihnen ungesehen, sie vorüberzulassen. Es
war Leonhard Sirach, der nun oben auf hohem Roß saß,
während sein einstiger Freund im Schlamm der Straße lag
Und sie gingen weiter, immer geradeaus die Chaussee—
straße entlang, noch nicht wissend, nach welchem erlösenden
Ziel. So befanden sie sich in der endlosen Müllerstraße,
die wie ein langgestrecktes Dorf vor ihnen lag. Sie war
öde und leer. Selten begegnete ihnen ein Passant, ver⸗
einzelt schallte das Klingeln und entfernte Rollen der
Pferdebahn. Die ersten auftauchenden Gasflammen, deren
weißes Licht noch mit dem erlöschenden Grau des Tages
kämpfte, flackerten trübe, und zeichneten sich vom Horizont
wie blasse Irrlichter ab. Der Boden war erweicht und wich
unter Magdas und Oskars Füßen. Und in dieser traurigen,
tieftraurigen Landschaft schritten die beiden Verkommenen
dahin, das letzte Auflodern einer alten Liebe im Herzen.
„Magda, Magda, liebst du mich noch?“ kam es leise und
tonlos von seinen Lippen. Und zurück schallte ad Wit vor