34
Sorge um seine Kinder, welche er zärtlich und innig liebte;
das war der Gedanke, daß seine Frau, die vierzehn Jahre
nicht von seiner Seite gewichen war, jetzt wieder arbeiten
gehen solle. Wie er die Kinder liebte, so liebte er auch
ihre Mutter. Ein Gefühl von Beschämung und tiefer Un—
zufriedenheit überkam ihn. Da sollte nun eine Mutter
früh morgens von ihren Kindern gehen, da sollte eine Frau
ihren Mann, ihre Häuslichkeit verlassen, um elf Stünden
täglich wieder Sklavin, abhängig von fremden Leuten zu
sein, wieder zur gewöhnlichen Fabrikarbeiterin zu werden.
Wie sollten seine Kinder gedeihen, wenn sie den ganzen
Tag über die liebende und sorgende Hand der Mutter
entbehrten! Und er, Merk, sollte verdammt sein, untätig
zu sitzen, während seine Gedanken immer dort weilten,
wo sein Weib sich befand? O, er wußte genau, wie schlimm
es manchmal so einer armen Arbeiterin erging! Da wurden
von rohen Gesellen unzüchtige Gespräche geführt, da er—
laubte man sich Freiheiten, nahm keine Rücksicht auf die
Anwesenheit von Frauen und Mädchen. Und er durfte
nicht dabei stehen, sein Weib vor Zudringlichkeiten zu
schützen. Wenn Merk so am Fenster saß, und wie gewöhnlich
seinen schlechten Tabak rauchte, oder an einem Stück Holz
schnitzte, dann wurde er von diesen Gedanken so über—
wältigt, daß er in seiner Arbeit innehalten mußte, um starr
auf einen Punkt nach dem Hofe zu blicken. Dann wieder
ruhte sein Auge auf dem schlafenden jüngsten Kinde in der
Wiege, die er mit einem Fuße in Bewegung setzte. Und
er beugte sich verstohlen über den Knaben und küßte ihn
voll tiefer Rührung.
Magda hatte ein derbes Wollkleid bekommen, konnte
also wieder nach der Schule gehen. Die Kinder freuten
sich ganz besonders auf den Umzug, denn da gab es wieder
zu packen, zu räumen und zu kramen; man kam wieder in
eine andere Gegend, sah neue Menschen und machte die
Bekanntschaft neuer Spielgefährten. Magda glaubte solch
einen bereits gefunden zu haben. Mehr als einmal hatte
sie zu ihrer Mutter von Oskar Schwarz gesprochen. Er