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Sechzehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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mit ihrer Tochter zulasse, dann sei sie gewiß nichts wert. 
Natürlich könne man es sich auch jetzt erklären, weshalb 
sie nicht exmittiert worden sei und ganz wohlauf zu sein 
scheine. Es komme eben eins zum anderen: Totschlag, Dieb⸗ 
stahl und Sittenlosigkeit. Wenn einmal der moralische Halt 
verloren, dann sei dem Menschen überhaupt alles egal und 
er sinke immer tiefer, bis man ihn eines Tages im Rinn— 
stein finde. 
Eines Abends traf bei Oskar spät ein Soldat ein, der 
sich als Bursche des Herrn von Rollerfelde vorstellte und 
nach einem Fräulein „Magda Merk“ fragte, der er etwas 
abzugeben habe. 
Es machte einen etwas komischen Eindruck, den stram— 
men Gardisten zwischen diesen engen Wänden vor der elend 
gekleideten Magda in einer Art und Weise Honneur machen 
zu sehen, als stände er vor der Frau irgend eines hohen 
Vorgesetzten; aber dies heruntergekommene Mädchen war 
die Geliebte des „Herrn Leutnant“ gewesen, dem er treu 
gedient und der noch wenige Minuten vor seinem un— 
erwarteten Tode ihm eingeschärft hatte, den „letzten Be—⸗ 
fehl“ wie etwas Heiliges zu erledigen. Magda erkannte 
ihn sofort. Er hatte ihr manches Bukett von Rollerfelde 
überbracht und während der Zeit ihres Verhältnisses kleine 
Dienste für sie übernommen. Er überreichte ihr stumm 
einen Brief und ein kleines Päckchen. Magda öffnete das 
Huvert und las: 
„Liebe Magda! Miserables Dasein, das nicht mehr 
zu ertragen ist. Werden alle zu Hause um mich weinen, Onkel 
und Tante, Mama und Cousine, mein Fräulein Braut wohl 
am meisten. Aber es geht pariout nicht anders — Revolver liegt 
bereit, in einer Stunde fitzt mir eine Kugel im Kopf. Habe ge⸗ 
hört von deinem Unglück mit diesem Lumpen Rosenstiel. War 
doch ein richtiger Halsabschneider, wie er im Buche stand, hat 
eine Tante, die ihm ähnlich sieht: Habichtsnase, aufgeblasenes 
Gesicht — eine ganz unbarmherzige Kreatur. Aber schadet nichts, 
liebes Mädchen, nehme mein Schicksal hin, wie die Würfel fallen. 
Habe mit dir manche angenehme Stunde erlebt, sende Dir 
zum Andenken durch meinen Burschen den Ring vom kleinen 
Finger der linken Hand und mein Bild, scheußlich getroffen,
	        
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