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mit ihrer Tochter zulasse, dann sei sie gewiß nichts wert.
Natürlich könne man es sich auch jetzt erklären, weshalb
sie nicht exmittiert worden sei und ganz wohlauf zu sein
scheine. Es komme eben eins zum anderen: Totschlag, Dieb⸗
stahl und Sittenlosigkeit. Wenn einmal der moralische Halt
verloren, dann sei dem Menschen überhaupt alles egal und
er sinke immer tiefer, bis man ihn eines Tages im Rinn—
stein finde.
Eines Abends traf bei Oskar spät ein Soldat ein, der
sich als Bursche des Herrn von Rollerfelde vorstellte und
nach einem Fräulein „Magda Merk“ fragte, der er etwas
abzugeben habe.
Es machte einen etwas komischen Eindruck, den stram—
men Gardisten zwischen diesen engen Wänden vor der elend
gekleideten Magda in einer Art und Weise Honneur machen
zu sehen, als stände er vor der Frau irgend eines hohen
Vorgesetzten; aber dies heruntergekommene Mädchen war
die Geliebte des „Herrn Leutnant“ gewesen, dem er treu
gedient und der noch wenige Minuten vor seinem un—
erwarteten Tode ihm eingeschärft hatte, den „letzten Be—⸗
fehl“ wie etwas Heiliges zu erledigen. Magda erkannte
ihn sofort. Er hatte ihr manches Bukett von Rollerfelde
überbracht und während der Zeit ihres Verhältnisses kleine
Dienste für sie übernommen. Er überreichte ihr stumm
einen Brief und ein kleines Päckchen. Magda öffnete das
Huvert und las:
„Liebe Magda! Miserables Dasein, das nicht mehr
zu ertragen ist. Werden alle zu Hause um mich weinen, Onkel
und Tante, Mama und Cousine, mein Fräulein Braut wohl
am meisten. Aber es geht pariout nicht anders — Revolver liegt
bereit, in einer Stunde fitzt mir eine Kugel im Kopf. Habe ge⸗
hört von deinem Unglück mit diesem Lumpen Rosenstiel. War
doch ein richtiger Halsabschneider, wie er im Buche stand, hat
eine Tante, die ihm ähnlich sieht: Habichtsnase, aufgeblasenes
Gesicht — eine ganz unbarmherzige Kreatur. Aber schadet nichts,
liebes Mädchen, nehme mein Schicksal hin, wie die Würfel fallen.
Habe mit dir manche angenehme Stunde erlebt, sende Dir
zum Andenken durch meinen Burschen den Ring vom kleinen
Finger der linken Hand und mein Bild, scheußlich getroffen,