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Sechzehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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Er preßte sie auf offener Straße an sich, fiebernd in 
der Aufregung des Augenblicks. „Magda, ich sage dir, ich 
will dich hüten wie meinen Augapfel, nur gehöre endlich 
mir, mir allein auf Erden. Sage ein Wort, sage ja.“ 
Ein Zittern lief durch ihren Körper. „Ja!“ erwiderte 
sie leise, in einem Rausch, wie sie ihn noch nie durchkostet. 
„Wir sind beide arm,“ begann er wieder; „wir haben 
nichts mehr mit jener Welt dort drüben zu tun, denn sie 
hat uns zu dem gemacht, was wir sind. Laß uns beide 
eine Welt sein, eine große allumfassende Welt. Liebe mich, 
wie ich dich liebe, und gib mir das, was dir noch geblieben 
ist: dein Herz. Und wir werden glücklich sein, auch im 
Elend. Denn sieh: die Liebe macht groß und stark, sie nimmt 
den Kampf mit der ganzen Welt auf, sie veredelt das Ge— 
meine, sie macht das Häßliche schön. Sie kauft sich Welten, 
sie beneidet keinen Fürsten, sie durcheilt im Fluge den un— 
geheuren Raum dort über uns, sie macht den Staubge— 
borenen gottesähnlich. Bin ich jetzt mehr als du? Ich bin 
ein Sklave meiner Tatenunlust, ich kann nur noch in zer⸗ 
rissene Saiten greifen. Ich habe gestrebt wie nur einer 
nach allem Hohen, Wahren und Edlen. Ich konnte nicht 
schmeicheln und heucheln, nicht um die Gunst der Menge 
buhlen, mich auch nicht mit fremden Federn schmücken. Was 
mir vorleuchtete, war ein Stück von mir selbst, wie ich ge— 
dacht, wie ich empfunden habe. Ich wollte ein großer 
Dichter werden und vergaß ganz dabei, daß man, um es 
zu können, erst ein guter Kaufmann werden müsse. Nun 
hat mich die Welt betrogen, und nun räche ich mich. Ich 
pekuliere auf die Gemeinheit, die gemeinen und niederen 
Leidenschaften der Menschen, ich habe meine Muse zur 
käuflichen Dirne erniedrigt: ich schreibe Kolportageromane, 
du weißt doch —: wie sie Rosa Jakob immer so gern hatte. 
Das ist eine ehrliche Arbeit, ich sage dir, mein Mädchen —.“ 
Er lachte wild auf, sodaß sie zusammenschrack. „Wenn es 
einmal nicht mehr gehen will und mir die Gedanken aus— 
bleiben, dann finde ich ein vortreffliches Mittel. Frage 
nur meinen Freund, den großen Shakespearekenner Da—
	        
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