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Sechzehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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mehr zu verlieren und nichts mehr zu gewinnen hatten: 
er, der verkommene Dichter, und sie das verkommene 
Mädchen. Aber in diesem Schweigen lag für sie eine 
lange, ergreifende Geschichte. Sie klang herüber aus 
seligen Kindertagen mit bestrickender, süßer Melodie; sie 
setzte sich fort durch Kummer, Elend, Schmerz und Leicht⸗ 
sinn und schloß mit einem grellen Mißklang, der nur die 
Weherufe gepeinigter Seelen enthielt. 
Wenn er sie jetzt von der Seite anblickte, dann brauchte 
er sie nicht mehr um ihr Los zu beneiden, wie in jener 
Zeit, wo er bei dem Gedanken an das Leben einer Ge— 
fallenen, das sie führte, und seinem eigenen, schwer auf 
ihm lastenden Dasein die Worte Hugo Kegels vor sich hin—⸗ 
gemurmelt hatte: 
„Wenn ich, wie du, eine Dirne wär' 
Und könnt' auf der Gasse schreiten, 
Die Jugend, den Leichtsinn verleiten, 
Dann wär' mir nicht das Herz so schwer.“ 
Und wenn sie ihn betrachtete, so mußte sie sich sagen 
daß er ein König sei, der sich zu einer Bettlerin herablasse, 
wenn er in ihr jetzt noch jene Magda erblicken wollte, 
für die er einst geschwärmt, von der er im Traum ge— 
sprochen hatte. 
„Magda, weißt du noch, wie gut wir uns als Kinder 
waren ? 
„Oh, — Sie müssen mich verachten, tief verachten.“ 
Sie legte dabei den Kopf auf seine Schulter, schloß beim 
Gehen die Augen, als hoffte sie dadurch der Wirklichkeit 
entrückt zu werden. 
Und er fuhr sort: „Magda, sei nicht so fremd zu mir. 
Ich liebe dich noch wie damals, so heiß und innig“. Er 
drückte ihren Arm krampfhaft. Ihr Atem ging schneller; 
sie hemmte ihre Schritte und sah ihn prüfend an. Sollte 
sie jetzt noch mehr erniedrigt werden dadurch, daß man sie 
grausamen Spott fühlen lassen wollte? 
Sieh' mich an,“ sagte sie. „Hast du Augen, um zu 
sehen, was aus mir geworden?“
	        
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