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Sechzehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

Magda in langen Zügen aufatmete und dann durch— 
dringend das Wort „Vater!“ ausstieß, ging eine seltsame 
Veränderung mit ihm vor. Er fiel vor ihr auf die Knie 
und faltete die Hände. Und nun schluchzte er die Worte: 
„Magda, Magda, mein Kind, meine Tochter, verlaß sie 
nicht. Arbeite für sie, grüße sie und küsse sie von mir, aber 
sage ihnen nicht, was ich mit dir getan. Sage es aller 
Welt, daß ich stehlen wollte für dein krankes Kind —.“ 
„Vater, mein Vater! Ich lasse dich nicht von uns.“ 
Sie preßte seinen Kopf an sich. Er sprang nun auf und 
umklammerte sie wild, sodaß man ihn endlich mit Gewalt 
von ihr trennen mußte. Dann noch ein herzdurchbebender 
Aufschrei eines Kindes, und man hatte ihn hinausgeführt. 
Was Magda dann unter fortwährendem Weinen hervor— 
brachte, um die Fragen des Beamten zu beantworten, ge⸗ 
schah wie gedankenlos. Nach einer Viertelstunde konnte sie 
gehen, noch immer tränenden Auges, nur eine Welt des 
Jammers vor Augen, in der sie selbst als elendes Wrack 
sich vorkam: ein ehrloses Weib, eine verkommene Schön— 
heit. 
Als sie sich wieder auf der Straße befand, hätte sie die 
Steine um Erbarmen anrufen mögen, aber die blieben 
stumm wie der dunkle Himmel über ihr mit seinem ewigen 
Schweigen. Sie fürchtete sich, nach Hause zu gehen, denn 
sie kam sich wie eine Aussätzige vor, deren Berührung man 
scheuen müsse. Dabei rüttelte der Frost an ihrem Körper 
und durchbebte sie von Kopf bis zu den Füßen. 
Plötzlich schritt jemand neben ihr, der ihr erst wie ihr 
eigener Schatten vorgekommen war. Jetzt sahen sich 
beide ins Gesicht und blieben stehen, zu gleicher Zeit 
einen Ausruf auf den Lippen. 
„Magda!“ 
„Oskar !“ 
Wie in innerer Übereinstimmung, als gehörte sich das 
von selbst, legten sie ihre Arme ineinander und schritten 
wortlos nebeneinander her. Da hatten sie sich nun endlich 
wiedergefunden, nach Jahren, jetzt, wo sie beide nichts
	        
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