422 —
schaffen, um endlich für ein warmes Zimmer zu sorgen.
Zu ihrem Erstaunen sagte der Herr plötzlich:
„Sie irren, ich bin kein Arzt, sondern ein Kriminal⸗
beamter.“ Ob sie Fräulein Magda Merk sei, die heute erst
aus der Charité entlassen worden? „Ja?“ Dann müsse
er sie bitten, ihm zu einer kurzen Vernehmung nach dem
Polizeibureau zu folgen. Er habe sie bereits den ganzen
Nachmittag gesucht. Nach dem Feste würde sie jedenfalls
eine Vorladung nach dem Molkenmarkt bekommen, heute
aber müsse sie sich schon ein kurzes Verhör gefallen lassen.
„Aber mein Kind, ich kann mein Kind nicht ohne Hilfe
lassen.“ Der Beamte zuckte mit den Achseln. Er könne
nichts dazu tun.
Magda mußte also mit schwerem Herzen gehen. Es be—
ruhigte sie, als sie bemerkte, daß ihre Kleine schlief. Sie
werde selbst unterwegs noch einmal zum Arzt mit heran⸗
gehen, meinte sie; sie werde ihm gleich einen Taler geben,
das werde schon wirken. Mutter und Schwester sollten sich
vor allem über die Lebensmittel hermachen, damit sie
wieder etwas in den Magen bekämen. Lange würde sie ge—
wiß nicht ausbleiben, und das übrige wird sich ja finden.
Sie schlug ein altes Schaltuch der Mutter um die Schultern
und trat mit dem Beamten den Gang zum Polizeibureau an.
Frau Merk hatte Minna Jakob nicht recht verstanden.
Nur so viel glaubte sie zu vernehmen, daß es sich um ihren
Mann handelte. Das fiel ihr jetzt beim Fortgehen Magdas
ein. Sie sollte sich doch mal umsehen, wo der Vater stecke.
Er finde nun ein warmes Zimmer.
Auf der Polizeiwache hatte man mit Merk ein Ver—
hör begonnen, nachdem die bestohlene Dame ausgesagt
hatte und entlassen worden war. Der Eisendreher stand nun
wieder dem Leutnant gegenüber, den er vor kurzem die
Uberzeugung aufzudrängen vermocht hatte, er sei nicht
so schlecht, als man annehme. Und nun stand er hier als
gemeiner Dieb.
„Nun Merk,“ redete er ihn an, „wollen Sie auch jetzt
noch behaupten, daß man Ihnen kein Verbrechen zutrauen