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auf, die inmitten der vier nackten Wände schaurig auf ihn
einwirkten. Er empfand die ganze Wahrheit in Idas Wor⸗
ten, aber er brachte kein Wort hervor. Was sollte er auch
erwidern? Gleichsam um sich Beschäftigung zu machen,
hauchte er wie am Morgen gegen die wieder stärker zuge—
frorenen Fensterscheiben und warf einen Blick hinaus.
Und als er hinter sich das Phantasieren des Kindes hörte
und das Stöhnen und Jammern seines Weibes, da irrte
derselbe Blick in der Stube umher und fand nicht das, was
er suchte: Hilse für das Kind, Nahrung für die Seinen,
——
Am Weihnachtsheiligabend kein Brot im Haus! War
das ein menschenwürdiges Dasein zu nennen? War das
die Zufriedenheit in der Hütte der Armen, von der die
Dichter singen? Wieder wälzte sich Magdas Kleine, und
ihr Atem ging stoßweise. In Merks Kopf wirkte noch immer
der Genuß des Schnapses. Er preßte jetzt die Stirn gegen
das Eis, um sie zu kühlen.
„Mann, steh' nicht so gleichgültig da. Schaff' Hilfe,
sonst weiß ich nicht, was ich tue!“
Er schrak zusammen wie von der Natter gestochen und
wandte sich um. Und mit anderen Augen als sonst auf
seine Frau blickend, und mit der Hand in seinem Haar
wühlend, bot er ein Bild entsetzlicher seelischer Qual.
Draußen begann es in großen Flocken zu schneien. Er
stand wieder mit dem Gesicht dem Fenster zugekehrt und
starrte durch das aufgetaute Loch hinaus. Ein Wirbelwind
erhob sich, pfiff und jagte wie toll im Hofe herum und trieb
sein dämonisches Spiel mit den Flocken. Und als erweckte
das Stürmen und Tosen der Natur einen Widerhall in der
Menschenbrust, so arbeitete es jetzt auch im Innern Merks.
Als die Klagelaute wieder an sein Ohr drangen und seine
Seele durchschnitten, und als er dabei wieder in den Wirbel⸗
wind blickte, war es ihm, als würde er selbst mit rasender
Gewalt von ihm erfaßt und im Kreise gedreht, sodaß er
nicht mehr wußte, wo er war und was er tat.
Er befand sich plötzlich im Freien und stürmte über den