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hartem Brot zu suchen, mit dem sie ihren Hunger stillen
wollte.
Allmählich brach die Dämmerung herein, zeigten sich
im Vorderhause erleuchtete Fenster. Ida meinte, man müsse
mit dem wenigen Petroleum, das man noch habe, knapsen
und könne die Schummerstunde im Dunkeln hinbringen.
Dann wachte Magdas Kind wieder auf, richtete sich plötzlich
in die Höhe, rief in weinerlichem Tone: „Mama, Mama!“
legte sich wieder zurück und fing nun an, wie eine richtige
Fieberkranke zu phantasieren. Ida fühlte im Halbdunkel
nach der Stirn der kleinen Patientin, die heißer denn je
brannte. Was sie sagte, war immer dasselbe: „Was denn,
was denn, mein Kindchen, mein guter Engel, ich bin ja
hier.“ Sie beugte sich tief hernieder, nahm den Kopf in
beide Arme, legte ihre Wange an die des Kindes und preßte
—DD—
gehe nicht mehr so weiter, Anna möge sich schnell auf die
Beine machen und sich vorn bei Zipfel erkundigen, wo der
Armenarzt wohne. Sie solle warten und nicht von der
Stelle gehen, bis er mitkomme. Und wenn er nicht zu
Hause sei, solle sie zu einem anderen Doktor laufen, nur
Hilfe solle sie mitbringen.
Anna ging. Wäöhrenddessen phantasierte das Kind
immer toller; es sprach wirres Zeug, richtete die Armchen
in die Höhe und tastete nach Frau Merks Gesicht. Sein
Atem ging laut und vernehmbar. Ida setzte die Wiege in
Bewegung und sang alle jene frommen Kinderlieder, die
ihr aus der Jugend im Gedächtnis hafteten:
„Wir haben eine Kette, die so schöne klingt,
* haben einen Vogel, der so schöne singt;
Er singt so klar, wie ein Haar,
Er hat gesungen sieben Jahr;
Die sieben Jahr sind um,
Das Marthchen dreht sich rum.“
klang es in einschmeichelnden Tönen durch das Zimmer.
Dann wieder, als das Kind sie ein paar Augenblicke groß
anstarrte, als verstünde es die Worte, griff sie freudig