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Sechzehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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die Tränen in die Augen. Sie brüllte auf, gleichgültig 
gegen alles, was ihr von jetzt ab passiere. 
„Gehen Sie und sagen Sie Ihrem Bürgermeister, daß 
hier ein armes Weib mit seinen Kindern verhungert.“ 
Draußen klappte die Tür, und nun warf sie sich, von 
Schmerz durchwühlt, mit dem Kinde auf das Bett und 
jammerte herzzerreißend. 
Es wurde Mittag, Merk kam nicht, Anna hatte ihn ver⸗ 
geblich gesucht. Ida wußte nicht, was sie davon denken 
sollte. Gewiß hatte man ihn uniten bei Zipfel abschläglich 
beschieden, und nun irrte er umher, um Geid aufzutreiben, 
und wagte nicht, mit leeren Händen zurückzukehren. Frau 
Merk atmete auf, als Magdas Kleine einschlief. Aber dieser 
Schlaf aus reiner Schwäche war ein so unruhiger, daß Ida 
von neuem bangte. Die Kleine wälzte sich hin und her, 
blieb nicht zwei Minuten auf einer Seite liegen bewegte 
im Schlafe die Lippen und lispelte unverständliche Laute 
vor sich hin. Ida saß auf dem Schemel und lauschte förm⸗ 
lich auf jeden Atemzug. Anna hockte eingehüllt an der ande⸗ 
ren Seite und zitterte vor Frost am ganzen Körper. Das 
Unglück der Mutter ging ihr besonders nahe. Sie begann zu 
plaudern. Heute sei Heiligabend, meinte sie, nun würden 
bald überall die Christbäume angezündet werden, und sie 
hätten keinen, würden auch keine Apfel und Nüsse bekommen. 
„Weißt du Mutter,“ sagte sie, „alle schleppen sie sich 
noch mit den Bäumen. Sie sollen so billig in diesem 
dahre sein. Frau Müller von oben trug vorhin einen über 
den Hof, der war größer als ich bin. Wenn Vater käme 
und Geld brächte, könnten wir uns vielleicht auch noch 
einen holen.“ 
Soolche Worte trafen Ida wie entsetzliche Stiche. Wenn 
sie daran dachte, daß sie auch einmal in dem Alter ihrer 
Tochter war, und sich wochenlang vorher auf diesen Tag 
gefreut hatte, wo das Armste das letzte nimmt, um seinen 
Kindern eine Freude zu bereiten! Diese unschuldigen 
Plaudereien unterbrach Anna nur, wenn sie hinaus in die 
Küche ging, um in der Schublade des Tisches nach altem,
	        
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