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Das Musikstück war zu Ende. Ein schrilles Klingeln
ertönte, Dutzende von Köpfen reckten sich an den Säulen
vorbei der Bühne zu, denn man erwartete das Auftreten
des allbeliebten Salon⸗Komikers, Herrn Emanuel
Sängerkrug.
Da stand er nun, der Liebling der Frauen, in der
Maske eines alten, zusammengeschrumpften Männleins,
das mit tiefdurchfurchten Zügen und hinfälliger Gestalt
das Mitleid der Menge herausforderte. Das sollte derselbe
Mann sein, der vor einer Viertelstunde einen jugendlichen
Studenten auf der Ferienreise so vortrefflich dargestellt
hatte, daß die schönere Hälfte des Auditoriums sehnsüchtige
Blicke nach ihm geworfen hatte? Wie der jetzt aussah!
Man konnte ihn wirklich nicht mehr wiedererkennen.
„Ach, der schöne Herr Sängerkrug!“ tönte es von
roten Lippen. Aller Augen waren auf ihn gerichtet, man
vermied jedes Geräusch, um sich kein Wort der tragischen
Geschichte entgehen zu lassen. Und wie er nun hüstelnd
näher kam, unter der Last der Jahre gebeugt, und die wie
erloschenen Augen zum Publikum erhob, hatte er nur einen
langen Blick bereit, und dieser traf Dorchen. Sie saß noch
immer weit in den Stuhl zurückgelehnt, jetzt mit zusammen⸗
gepreßten Lippen und traumbleichem Antlitz, die Augen
weit aufgerissen und starr auf den Greis dort auf der Bühne
gerichtet, als wäre diese trügerische Hülle für sie eine schau—
rige Wahrheit.
Ganz von dem Gefühl beherrscht, zu Ehren der Ge—
liebten heute sein Bestes zu geben, trat er bis dicht an das
Rampenlicht und begann nun unter lautlosem Schweigen
und mit zitternder tragisch⸗-gefärbter Stimme:
„Wein' nicht, mein Kind, die Auglein rot,
Reich' mir dein Händchen her;
Um deinetwillen, bittre Not,
Wird mir das Sterben schwer.
So spricht ein Mann,
Auf offnem Wege liegt,
der elend, bleich