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Fünfzehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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Das Musikstück war zu Ende. Ein schrilles Klingeln 
ertönte, Dutzende von Köpfen reckten sich an den Säulen 
vorbei der Bühne zu, denn man erwartete das Auftreten 
des allbeliebten Salon⸗Komikers, Herrn Emanuel 
Sängerkrug. 
Da stand er nun, der Liebling der Frauen, in der 
Maske eines alten, zusammengeschrumpften Männleins, 
das mit tiefdurchfurchten Zügen und hinfälliger Gestalt 
das Mitleid der Menge herausforderte. Das sollte derselbe 
Mann sein, der vor einer Viertelstunde einen jugendlichen 
Studenten auf der Ferienreise so vortrefflich dargestellt 
hatte, daß die schönere Hälfte des Auditoriums sehnsüchtige 
Blicke nach ihm geworfen hatte? Wie der jetzt aussah! 
Man konnte ihn wirklich nicht mehr wiedererkennen. 
„Ach, der schöne Herr Sängerkrug!“ tönte es von 
roten Lippen. Aller Augen waren auf ihn gerichtet, man 
vermied jedes Geräusch, um sich kein Wort der tragischen 
Geschichte entgehen zu lassen. Und wie er nun hüstelnd 
näher kam, unter der Last der Jahre gebeugt, und die wie 
erloschenen Augen zum Publikum erhob, hatte er nur einen 
langen Blick bereit, und dieser traf Dorchen. Sie saß noch 
immer weit in den Stuhl zurückgelehnt, jetzt mit zusammen⸗ 
gepreßten Lippen und traumbleichem Antlitz, die Augen 
weit aufgerissen und starr auf den Greis dort auf der Bühne 
gerichtet, als wäre diese trügerische Hülle für sie eine schau— 
rige Wahrheit. 
Ganz von dem Gefühl beherrscht, zu Ehren der Ge— 
liebten heute sein Bestes zu geben, trat er bis dicht an das 
Rampenlicht und begann nun unter lautlosem Schweigen 
und mit zitternder tragisch⸗-gefärbter Stimme: 
„Wein' nicht, mein Kind, die Auglein rot, 
Reich' mir dein Händchen her; 
Um deinetwillen, bittre Not, 
Wird mir das Sterben schwer. 
So spricht ein Mann, 
Auf offnem Wege liegt, 
der elend, bleich
	        
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