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Schwarz las die Ankündigung. Hier also mimte der
große Komiker, sein allgemein bekannter Hausgenosse?
Es war selbstverständlich, daß man ihn hören mußte. Also
hinein. Sie schritten über den Hof und betraten den im
Parterre gelegenen, geräumigen, von Säulen getragenen
Saal, in dem das lustige Berliner Volk sich des Abends bei
den Klängen eines Quartetts, bestehend aus Violine, Flöte,
Trompete und Cello, abwechselnd auch eines Klaviers, vor⸗
trefflich zu amüsieren pflegte.
Derartige Künstler-Konzerte bei freiem Entree bilden
eine große Anziehungskraft des Vorstadt-Publikums. Man
findet Gelegenheit, auf billige Art und Weise den Abend
zu verbringen, und vergißt beim Glase Bier, getragen von
den Tönen der edlen Musika, den Arger des Tags. Der
biedere Handwerksmeister, der Kleinbürger und Philister,
der eine zahlreiche Familie hat, in der die erwachsenen
Töchter überwiegen, und hin und wieder die Verpflichtung
in der väterlichen Brust fühlt, gegen wenig Ausgaben seinen
Lieben einen amüsanten Abend in der Kneipe zu bereiten,
zeigt sich hier in seinem Strahlenglanz als steuerzahlender
Einwohner von Berlin. Da wird mit Würde ein ganzer
Tisch belegt. Vater trinkt ein ganzes Seidel, Mutter und
Tochter müssen sich zusammen mit einem Schoppen be⸗—
gnügen, den das Familienoberhaupt mit den Worten zu
würzen sich verpflichtet fühlt: „Trinkt nich zu ville, Kinder,
richtet euch ein, der Abend is lang.“ Und wenn er dann
bereits beim dritten Glase angelangt, die wahrhaft haus—
hälterische Genügsamkeit beobachtet, mit der die beiden
weiblichen Wesen sich immer noch mühen (aus Rücksicht auf
die Argusaugen des Kellners), vom Glase noch nicht den
Boden sehen zu lassen, so sagt er endlich gutmütig: „Da
Mutter, trink' mal die Blume, und gib Klärchen wat ab.“
Schließlich macht er mit überlegener Miene den Frauen
die Mitteilung, daß der dicke Herr, der die „erste Jeige“
spiele, der Exekutor Schulze sei.
Und halb versteckt hinter den Säulen, in den entfern⸗
testen Winkeln, im Halbschatten der Nischen, sitzen in zärt-