Path:
Fünfzehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

392 
Schwarz las die Ankündigung. Hier also mimte der 
große Komiker, sein allgemein bekannter Hausgenosse? 
Es war selbstverständlich, daß man ihn hören mußte. Also 
hinein. Sie schritten über den Hof und betraten den im 
Parterre gelegenen, geräumigen, von Säulen getragenen 
Saal, in dem das lustige Berliner Volk sich des Abends bei 
den Klängen eines Quartetts, bestehend aus Violine, Flöte, 
Trompete und Cello, abwechselnd auch eines Klaviers, vor⸗ 
trefflich zu amüsieren pflegte. 
Derartige Künstler-Konzerte bei freiem Entree bilden 
eine große Anziehungskraft des Vorstadt-Publikums. Man 
findet Gelegenheit, auf billige Art und Weise den Abend 
zu verbringen, und vergißt beim Glase Bier, getragen von 
den Tönen der edlen Musika, den Arger des Tags. Der 
biedere Handwerksmeister, der Kleinbürger und Philister, 
der eine zahlreiche Familie hat, in der die erwachsenen 
Töchter überwiegen, und hin und wieder die Verpflichtung 
in der väterlichen Brust fühlt, gegen wenig Ausgaben seinen 
Lieben einen amüsanten Abend in der Kneipe zu bereiten, 
zeigt sich hier in seinem Strahlenglanz als steuerzahlender 
Einwohner von Berlin. Da wird mit Würde ein ganzer 
Tisch belegt. Vater trinkt ein ganzes Seidel, Mutter und 
Tochter müssen sich zusammen mit einem Schoppen be⸗— 
gnügen, den das Familienoberhaupt mit den Worten zu 
würzen sich verpflichtet fühlt: „Trinkt nich zu ville, Kinder, 
richtet euch ein, der Abend is lang.“ Und wenn er dann 
bereits beim dritten Glase angelangt, die wahrhaft haus— 
hälterische Genügsamkeit beobachtet, mit der die beiden 
weiblichen Wesen sich immer noch mühen (aus Rücksicht auf 
die Argusaugen des Kellners), vom Glase noch nicht den 
Boden sehen zu lassen, so sagt er endlich gutmütig: „Da 
Mutter, trink' mal die Blume, und gib Klärchen wat ab.“ 
Schließlich macht er mit überlegener Miene den Frauen 
die Mitteilung, daß der dicke Herr, der die „erste Jeige“ 
spiele, der Exekutor Schulze sei. 
Und halb versteckt hinter den Säulen, in den entfern⸗ 
testen Winkeln, im Halbschatten der Nischen, sitzen in zärt-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.