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kraut nie vergeht, früher von hinnen zu fleuchen als ich,
dann werde ich Ihre Biographie schreiben, verlassen Sie
sich darauf. Ich werde es tun mit der ganzen Schärfe mei—
nes literarischen Wissens. Ich werde Vergleiche zwischen
Shakespeare, Grabbe und Ihnen ziehen, es ist psycholo⸗
gisch notwendig. Sie wissen doch, daß Shakespeare im
Wirtshaus die erhabensten Gedanken fand, daß Grabbe
nur beim Schnaps zum Titanen wurde. O, diese laster⸗
hafte Welt, die den Schnaps und die Trunksucht als etwas
Niedriges verachtet und nicht weiß, was für poetische Blüten
die Menschheit ihm zu verdanken hat. Haben Sie von Edgar
Poe gehört? Ja? Das freut mich. In Boston fand man
ihn betrunken auf der Straße, als er laut sein berühmtes
Gedicht, „Der Rabe“ deklamierte. Das war der allum—
fassende Ausfluß der Spirituosen, der ihn rechts und links,
ringsherum die Menschen nur noch als krächzende Raben
betrachten ließ, von denen der eine dem anderen die Augen
aushackt. Sagen Sie doch, junger Freund, haben Sie
noch Geld bei sich ?
Dagobert Fisch war stehen geblieben. Sie standen
vor dem erleuchteten Torweg einer bekannten Kneipe
der Rosentalerstraße.
„Ja, Sie haben noch? Dann lassen Sie uns noch dort
hineingehen und die Naivität des Volkes bewundern. Es
wird doch reichen für uns beide? O, Sie glücklicher Poet,
wollen verzweifeln, wo der Mammon noch in Ihrer Tasche
brennt! Polyhymnia ist die Seele,“ schloß er mit Pathos
und zeigte auf große rote Zettel, die zu beiden Seiten des
Hausflurs an die Mauer geklebt waren. Sie trugen die
Aufschrift:
Heute:
Großes Künstler⸗Konzert
bei freiem Entroͤe.
Benefiz des Salon⸗Komilkers
Herrn Emanuel Sängerkrug.
In den Pausen: Humoristische Vorträge des beliebten Künstlers.
Programm gratis.