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wie der Bankier laut den Namen seines Kutschers rief. Und
nun wollte Kaulmann, die Hände in den Taschen seines
Paletots, wie ein harmloser Passant an beiden vorüber⸗
gehen. Plötzlich schwirrte etwas durch die Luft. Er hatte
den Inhalt des Fläschchens blindlings von unten nach oben
in das Gesicht Rosenstiels gegossen und zwar so ungeschickt,
daß auch Magdas Wange davon berührt wurde. Ein mark⸗
erschütternder Doppelschrei ertönte, dann der Ruf: „Ich
brenne!“ Hinter den Droschken verschwand Kaulmanns
lange Gestalt dicht bei Rosa vorbei. „Laufe nur, Tölpel,
wir sehen uns heute nicht,“ sagte sie hinter ihm her. Dann
bestieg sie eine Droschke und rasselte davon.
Drüben bot sich ein entsetzlicher Anblick. Inmitten der
Menschenmenge, die immer größer anwuchs, jammerten
ein Mann und ein Weib. Rosenstiel war schrecklich zuge—
richtet. Die Atze hatte ihn fast unkenntlich gemacht. Er
arbeitete wie ein Wahnsinniger mit beiden Händen im
Gesicht herum und schrie immer aufs neue: „Ich brenne!“
„Man hat ihnen etwas ins Gesicht gegossen,“ das ging
von Mund zu Mund. O, und gar die Dame, das arme,
beklagenswerte Geschöpf! Wer war wohl der Ruchlose?
Gewiß hat das nur jemand aus Eifersucht auf den Mann
getan, denn er war am schlechtesten dabei weggekommen.
Nun trat auch ein junger Mann, am Arme eine kleine Frou,
hinzu, um sich von dem Vorfall zu überzeugen. Es war
Leonhard Sirach. Sofort erkannte er die einstige Freundin.
Gott — da hatte der Wahnwitz einer Sekunde die Schön⸗
heit in ein abschreckendes Bild verwandelt. Und wie er sie
so, den Kopf hintenüber gebeugt, daliegen sah, konnte er
sich nicht mehr halten. „Magda, Magda,“ jammerte er
leise, „um Himmelswillen, Magda, was ist passiert?“ Sie
schlug die Augen auf, erkannte ihn und sagte mit weiner⸗
licher Stimme, immer die Handfläche auf die große einzige
Wunde im Gesicht gepreßt: „Leonhard, — zu meiner
Mutter.“
Man brachte sie und Rosenstiel zu einem Arzt, der
sofort feststellte, daß die Augen nicht gelitten hatten. Er