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nur unklar das eine Gefühl hatte: daß er laut schreien
müsse, damit er nicht den Verstand verliere. Er erhob sich
polternd, so daß die Leute aufblickten, wankte wie ein Be—
trunkener durch die Reihe ganz nach vorn und schrie laut in
das Halbdunkel hinein: „Das ist mein Stück, ich bin
der Dichter !“
Unten verstand man nicht, was er sagte, denn von der
Szene her klangen noch immer die Worte der Schauspieler.
Rechts und links von ihm aber flüsterte und tuschelte man,
sah sich bedeutsam an und sagte: „Ein Verrückter!“ Und
diese zwei Worte gingen von Mund zu Mund durch die
langen Reihen und setzten sich fort durch den ganzen Raum
des Theaters. „Hinaus mit ihm, — ein Verrückter.“ Und
wie er noch immer dastand, mit irrsinnigem Aussehen, nach
der Bühne zeigend, umfaßten ihn die kräftigen Arme eines
Logenschließers. Er wurde hinausgeführt. Nun sprach er
wieder vernünftig, aber man glaubte ihm nicht. Ob der⸗
artige Anfälle öfters bei ihm vorkämen? Er antwortete
nicht, sondern verlangte ruhig nach seiner Garderobe und
ging dann unbelästigt. Er wankte nach der Straße, mit
verlorenem Glauben an Gott und die Menschen, mit bren⸗
nendem Hirn, Weltverachtung im tiefinnersten Herzen. Und
er schritt durch den Regen, nicht wissend, wohin, nach wel⸗
chem Ziel —: ein Einsamer in der Millionenstadt, der sich
nie so sehr nach einer fühlenden Seele gesehnt hatte, wie
jetzt, um diese Stunde. Ein Mann kam ihm entgegen, der
wie ein Betrunkener nach rechts und links taumelte. Es
war DagobertFisch, der seine Alkoholstudien begonnen hatte.
„Ah, mein junger Freund! Sie suchen auch Kühlung
für ihre heißen, weltbewegenden Gedanken?“ lallie er.
„Das mag wohi manchmal ganz vernünftig sein, aber ge⸗
sund ist es bei so einem Hundewetter nichi.“
Schwarz faßte ihn unter. „Kommen Sie, wir wollen
uns einen warmen Ofen suchen. Hitze vertreibt Hitze,
Gift das Gift.“
Der große Shakespeare⸗Kenner kicherte. „Ei, ei, das
scheint bedenklich. Haben Sie endlich begriffen, was das
MaxkKretzer. Die Verkommenen. 25