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Fünfzehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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der er alles zu verdanken hatte, was er war: seine Mutter. 
O, wenn man im Augenblick in seiner Seele hätte lesen 
können. Ihretwillen sollte seine Geige jauchzen, ihret⸗ 
willen wollte er schwelgen im Reich der Töne, damit sie 
höre, was er gelernt hatte. 
Und wie er nun beginnen wollte, hundert Operngläser 
auf ihn gerichtet waren, sah er dicht vor sich zu seiner Linken 
ein Gesicht, ein märchenhaft schönes Gesicht, aus dem 
zwei große Augen unabgewendet auf ihn gerichtet waren. 
Er hatte Magda erblickt, das Mädchen, das er als schwär— 
merischer Knabe geliebt hatte. Tiefes Weh überkam ihn 
bei dem Gedanken an die Vergangenheit. Und ganz be— 
herrscht von diesem Gefühl, spielte er jetzt. Man wußte nicht, 
was es war, aber man empfand, daß die Seele des Künst⸗ 
lers aus seiner Geige sprach, daß er in der Welt seiner Phan⸗ 
tasie schwelgte. Das brauste wild auf wie Meereswogen 
und hörte sich dann an wie ein bestrickendes Klagen um ein 
verlorenes Lieb, bis es wie Hauch und Geisteswehen 
im letzten Zittern der Saiten erstarb. Dieses Spiel rüttelte 
an das Gemüt der Zuhörer, tauchte hinunter in die Tiefen 
ihres inneren Menschen, bändigte das, Gemeine“,im wesen⸗ 
losen Scheine“. Und da saß auch links ein Weib, das seine 
Ehre für die glitzernden Brillanten hingegeben hatte, die 
es zierten, und dem doch jetzt Tränen in den Wimpern 
hingen. Magda litt unter dem Druck der Erinnerung. Sie 
sah nicht das trügerische Licht der Lampen, nicht die Schein— 
welt des mondbeglänzten Parkes, — sie sah weiter, weiter: 
in einen großen, schmutzigen Hof hinein, umringt von 
kahlen, trostlosen Häusern. Sie erblickte einen großen 
Sandberg, auf dem armselig gekleidete Kinderchen sich 
tummelten und balgten, sich Schlösser und Paläste bauten, 
um vom Glück und Wohlstand der Reichen zu träumen. 
Und inmitten dieser Elenden erblickte sie sich selbst, mit 
hungrigemMagen, aber zufrieden wie ein unschuldigesKind, 
das aus vollem Herzen lachen kann. Plötzlich erschallten 
durch all das Jauchzen und Lärmen der kleinen Seelen aus 
der Tiefe eines Kellers her die langgezogenen Töne einer
	        
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