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Lessinghelden unserer Tage! Kaum haben sie das Parkett
betreten, so wenden sie, stehend, der Bühne ihren Rücken
und beginnen durch ihr Glas die Logen und Ränge zu
mustern. Und aus jedem breiten Lächeln, aus jedem Blick
spricht die stumme Unverschämtheit: „Seht hierher, seht
mich an, ich bin der große Kritiker X., vor dessen gefürchteter
Feder alle Autoren zittern.“ Dort links in der Orchesterloge
sitzt einer dieser Edlen: Journalist, Dichter und Plagiator,
— der gefährlichste von allen, dessen Feder von Entrüstung
überfließt, wenn sie den Namen Zola schreibt, und neben
dem großen Moralisten seine noch größere Frau, die ehe—
malige Geliebte eines Fürsten, von dem sie noch jährliche
Revenüen bezieht, die ihr Gatte mit seinem Gehalt vereint.
Soeben erhebt er sich und verneigt sich leicht, denn
hereingerauscht kommt, ganz in schwarz gekleidet, Frau
Selma Joachimsthal, die Dichterin der heutigen Novität,
hinter ihr ihr keuchender Gatte, wie zu einem großen Fest
in Frack und weißer Weste gekleidet. O, der glückliche
Joachim! Wenn man die Gefühle schildern könnte, die heute
seine Brust durchziehen! Wie sein Gesicht leuchtet, mit
welcher Bravour er sich auf den Sessel neben seiner Ge—
bieterin niederläßt, wie wohlgefällig er nach dieser und jener
Stelle hinüberwinkt. Schon im Foyer hatte man das Ehe—
paar umringt. Da hieß es denn von allen Seiten: „Gnädige
Frau, ich wünsche Ihnen einen großen Erfolg... Verlassen
Sie sich auf mich, ich werde ausführlich darüber schreiben.“
Und ein besonders aufrichtig fühlender „Kollege“, von dem
witzige Zungen behaupteten, er schreibe alles ab, nur keine
Einladung zum Mittagessen, wollte sich ihr besonders dank⸗
bar erweisen. Er zog die schöne Frau bei Seite und flüsterte
ihr zu: „Schreiben Sie mir ein Feuilleton über Ihr Stück,
ich bringe es morgen.“ Der große Dichter, der glückliche Be—
sitzer des Gegenstandes dieser Huldigungen, stand mit der
Empfindung eines Gottes dabei und nahm jede Gelegen—
heit wahr, wo er einen Indifferenten für das Pseudonym
„S. im Thale“ begeistern konnte. Dann wiederholte er
hintereinander immer dasselbe: „.Sie werden doch schreiben,