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Frau Jakob kreischte laut auf, als sie jetzt sah, wie
Kaulmann es gar wagte, durch den Genuß des Grogs er—⸗
regt, Rosas Kopf an sich zu ziehen, um Anstrengungen zu
einem Kuß zu machen. „Aber Kinder!“ schrie sie laut,
„was muß man erleben, Ihr sitzt ja wie Braut und Bräu—
tigam zusammen.“ Sie schnalzte mit der Zunge und nahm
Schluck für Schluck aus einem braunei. Topf.
Rosa war es heiß im Kopf geworden. „Ach was !“
stieß sie hervor, „wenn man sich so lange kennt, ist das
nicht gefährlich.“ Sie kicherte, vergaß den teuren Federhut,
die langen Handschuhe, die Armbänder, die Halskette und
atmete wieder die Luft ihrer Kinderjahre.
Es war spät, als sie endlich aufbrechen wollte. Als sie
Abschied nehmen wollte, kam Minna die Treppe herunter—
gepoltert und trat ins Zimmer.
„Na, kommst du endlich Herumtreiberin?“ redete ihre
Mutter sie an; „das wird ja immer netter. Jetzt ist's be—
reits Nacht. Da solltest du schon auf den Ohren liegen,
um morgens zeitig herauszukommen, anstatt dessen drückst
du dich irgendwo herum, ohne daß man eine Ahnung davon
hätte wo. Aber ich werde dir das anstreichen.“
Angeheitert wie sie war, gab sie ihr eine schallende
Ohrfeige, um endlich mal den anderen gegenüber ihre
Macht zu beweisen.
Minna verbiß den Schmerz. „Na, was ist denn,“ stieß
sfie nur hervor. Dann wandte sie sich an Rosa, als wäre
nichts Besonderes vorgefallen.
„Herrjeh, du? Wie gehts, — was hast du denn wieder
für einen neuen Hut, — und dieser schöne Dolman, —
und diese Handschuhe, die sind ja unmenschlich lang, — das
muß man sagen, wie eine Fürstin siehst du aus,“ brachte sie
hintereinander hervor und staunte ihre Schwester an. Dann
fuhr sie fort: „Du könntest mir auch einmal ein paar abge—
legte Kleider zukommen lassen. Bei deinen feinen Herren—
bekanntschaften wird dir das jedenfalls nicht schwer fallen.
Ach ja, ich wollte, ich wäre du,“ schloß sie halb seufzend