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Oskar Schwarz wand sich eiligen Schrittes durch die
Menge. Der Gedanke an die kranke Mutter, an die drohen⸗
de Gefahr beflügelte seine Schritte. Er hatte heute für die
äußerlichen Eindrücke kein Interesse, er wollte so schnell als
möglich sein Ziel erreichen. Dann stand er vor dem Hause,
wo Simon Baruch wohnte. Die drei Jalousien der beiden
breiten Schaufenster und der Ladentür waren herabge—
lassen. An jeder klebte ein Zettel mit der Aufschrift: „Der
Feiertage wegen bleibt das Geschäft bis Sonnabend Abend
b Uhr geschlossen.“ Um diese Zeit wurde in den Fabriken
und Werkstätten Feierabend gemacht, alsdann kehrten die
Arbeiter mit gefüllten Taschen heim. Man durfte also
auch hoffen, noch etwas an den Mann zu bringen.
Schwarz stieg die Treppe empor und zog am Knopf
der Klingel. Er fragte nach Herrn Simon Baruch, den er
dringend zu sprechen habe. Man führte ihn durch mehrere
wohlig ausgestattete Räume in ein hinteres Zimmer, wo
die ganze Familie bei Kaffee und Kuchen saß. Herr Baruch
lehnte in einem Fauteuil und hielt es nicht für wert, sich
zu erheben. Ob er Herrn Baruch vielleicht auf wenige
Augenblicke allein sprechen könne, meinte Schwarz mit
halb zitternder Stimme.
„Wie haißt allein, junger Mann. Ich kenne Sie nicht,
Sie sehen, ich bin beim Kaffee,“ erwiderte der graubärtige
Herr und führte ein Stück Kuchen zum Munde, „Sie
können mir auch hier sagen, was Sie wünschen.“
Oskar Schwarz geriet in Verlegenheit, — in jene be—
schämende Verlegenheit eines Menschen, der als Bittender
kommt und ein Dutzend Augen auf sich gerichtet sieht.
Aber er dachte an seine schwerkranke Mutter, die in trüben
Stunden sich für ihn geplagt hatte, und deren großes, lie⸗
bendes Herz eine Welt von Entsagung barg.
Nun, junger Mann, Sie wünschen?“ Er goß sich die
goldgeränderte Tasse wieder voll und griff aufs neue zu
einem Stück Kuchen.
„Mein Name ist Schwarz,“ sagte Oskar; „ich komme im
Auftrage meiner Mutter, — Sie möchten so freundlich