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Elftes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

312 — 
zur Rache. Erst schrieb sie noch einige rührende Briefe 
Als man sich dann zum letzten Male gründlich in der Kur⸗ 
fürstenstraße ausgesprochen hatte, war der Riß evident. 
Dann folgte ihr letzter Besuch bei Salo, nach dem sie mit 
glühender Röte die Treppe hinab stieg. Der Treulose hatte 
ihr zu verstehen gegeben, daß man die gegenseitige Neigung 
auch noch fernerhin bewahren könne. Die unvergleichliche 
Schriftstellerin fühlte plötzlich etwas von jener moralischen 
Selbstwürde, die sie mit Vorliebe in ihren Novellen vertrat. 
O, was mußte Herr Joachim noch am selben Tage erleben? 
Seine liebenswürdige Gattin war ihm nie so launenhaft 
erschienen, als heute. Sie rauschte aus einem Zimmer ins 
andere, zankte mit dem Mädchen in der Küche, klirrte beim 
Kaffee mit den Tassen in bedenklicher Art, und als sie einer 
Vase zu nahe kam, die ins Wanken geriet, und Joachim bei 
ihr vorübergehen wollte, war es ihm, als vernehme er die 
nicht ganz salonmäßige Bezeichnung „Tölpel“. 
Diese unausstehlichen Launen setzten sich tagelang fort. 
Frau Selma entdeckte jetzt allerhand Schwächen an ihrem 
Mann, deren größte seine geringe Tätigkeit sei. Die ganze 
Last ruhe auf ihren Schultern. Sie habe das nun endlich 
fatt, sich mit der Feder zu plagen, um den ganzen Haus— 
halt allein zu erhalten. Selbst das zärtliche „sebe Selma, 
man bewundert dich“, half nichts mehr. Er solle sich nun 
auch endlich nach einer ergiebigen Tätigkeit umsehen, ent⸗ 
weder einen Redakteurposten annehmen oder fleißig Ar⸗ 
tikel schreiben. Das ehemals zärtlich behandelte „wan— 
delnde literarische Bureau für die Romane seiner Frau“ 
machte sich denn auch schließlich auf den Weg, eum mit irgend 
einer Zeitung eine Verbindung anzuknüpfen. Es gelang 
ihm auch. Er sollte regelmäßig Feuilleton-Artikel sozialen 
Inhalts liefern. Er saß jetzt von früh bis spät am Schreib⸗ 
tisch, stöhnte wie ein angeschossener Eber, schrieb drei Zeilen, 
stand wieder auf, reckte und dehnte sich, wandelte wie ein 
gefangener Eisbär von einem Ende des Zimmers zum 
anderen, blickte Minuten lang auf die Straße hinunter, fand 
es plötzlich heiß im Zimmer, zog den Rock aus, nahm dann
	        
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