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Zwölftes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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der Stirn breitbeinig im Zimmer auf und ab. Dann 
klingelte er und befahl eine Flasche Wein und drei Gläser 
zu bringen. (Die zwei Flaschen Rüdesheimer hatte er 
extra für diese Konferenz in aller Frühe holen lassen.) 
Dieser Befehl war das Stichwort für Frau Selma, 
die jetzt in verführerischer Morgentoilette hereingerauscht 
kam und die höfliche Verbeugung des Offiziers mit einer 
leisen Neigung des Kopfes und einem unter allen Um— 
ständen gewinnenden Augenaufschlag erwiderte. 
„Meine liebe Frau — Herr Baron von Rollerfelde.“ 
Felixchen küßte seiner schönen Tante sofort galant die Hand. 
O, Herr Joachim Joachimsthal war sich der Wirkung 
dieses flüchtigen Auftritts vollständig bewußt. Das gab 
dem Ganzen das einladende Relief, brachte eine familiäre 
Stimmung hervor. Madame Selma beschäftigte sich einen 
Augenblick am Bücherschrank, neigte dann wieder kokett ihr 
Haupt und verschwand. 
Die Komödie ging dann ihrem befriedigenden Abschluß 
entgegen. 
Aber er habe einen Freund, meinte Joachimsthal. Er 
wisse zwar noch nicht, ob dieser das Geld augenblicklich 
liegen habe, aber er wolle sofort zu ihm hinfahren .... 
Dieser Freund machte oft derartige Geschäfte, aber zu 
seinem Bedauern müsse er gestehen, daß er sehr hohe Zinsen 
nehme, denn das Geld sei knapp. Wenn also der Herr 
Baron damit einverstanden sei, dann könne er nachmittag 
Punkt zwei Uhr das Geld möglicherweise hier in Empfang 
nehmen. Ob Herr von Rollerfelde einen großen Wechsel 
geben wolle, oder mehrere kleinere? 
Herr von Rollerfelde empfand den Eindruck, daß man 
ihm wirklich einen Freundschaftsdienst erweisen wolle. Da⸗ 
bei schwebte ihm bloß die eine Aussicht vor Augen: sich 
bis zum Abend im Besitz jener Summe zu befinden, die 
zur Deckung seiner Ehrenschuld erforderlich war. Er be⸗ 
dankte sich also für das freundliche Entgegenkommen und 
entschloß sich, drei kleinere Wechsel zu geben, die er bereit 
sei, sofort nach Empfangnahme des Geldes zu akzeptieren.
	        
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