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der Stirn breitbeinig im Zimmer auf und ab. Dann
klingelte er und befahl eine Flasche Wein und drei Gläser
zu bringen. (Die zwei Flaschen Rüdesheimer hatte er
extra für diese Konferenz in aller Frühe holen lassen.)
Dieser Befehl war das Stichwort für Frau Selma,
die jetzt in verführerischer Morgentoilette hereingerauscht
kam und die höfliche Verbeugung des Offiziers mit einer
leisen Neigung des Kopfes und einem unter allen Um—
ständen gewinnenden Augenaufschlag erwiderte.
„Meine liebe Frau — Herr Baron von Rollerfelde.“
Felixchen küßte seiner schönen Tante sofort galant die Hand.
O, Herr Joachim Joachimsthal war sich der Wirkung
dieses flüchtigen Auftritts vollständig bewußt. Das gab
dem Ganzen das einladende Relief, brachte eine familiäre
Stimmung hervor. Madame Selma beschäftigte sich einen
Augenblick am Bücherschrank, neigte dann wieder kokett ihr
Haupt und verschwand.
Die Komödie ging dann ihrem befriedigenden Abschluß
entgegen.
Aber er habe einen Freund, meinte Joachimsthal. Er
wisse zwar noch nicht, ob dieser das Geld augenblicklich
liegen habe, aber er wolle sofort zu ihm hinfahren ....
Dieser Freund machte oft derartige Geschäfte, aber zu
seinem Bedauern müsse er gestehen, daß er sehr hohe Zinsen
nehme, denn das Geld sei knapp. Wenn also der Herr
Baron damit einverstanden sei, dann könne er nachmittag
Punkt zwei Uhr das Geld möglicherweise hier in Empfang
nehmen. Ob Herr von Rollerfelde einen großen Wechsel
geben wolle, oder mehrere kleinere?
Herr von Rollerfelde empfand den Eindruck, daß man
ihm wirklich einen Freundschaftsdienst erweisen wolle. Da⸗
bei schwebte ihm bloß die eine Aussicht vor Augen: sich
bis zum Abend im Besitz jener Summe zu befinden, die
zur Deckung seiner Ehrenschuld erforderlich war. Er be⸗
dankte sich also für das freundliche Entgegenkommen und
entschloß sich, drei kleinere Wechsel zu geben, die er bereit
sei, sofort nach Empfangnahme des Geldes zu akzeptieren.