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Selma hatte einen ausgesprochenen Hang zum Luxus,
dem sie jetzt mehr denn je fröhnte. Zu den alten Schulden
gesellten sich neue. Man gab den Gläubigern Wechsel und
berief sich darauf, daß man bei Herrn Rentel ein kleines
Kapital in Depot hatte. Hierzu kam, daß Frau Selma mehr
denn je in Gesellschaft Freystätters Vergnügungen nach—
ging, die ihr schließlich die Schaffenslust nahmen.
Frau Selma verlor jenen Teil ihres Honorars, der zu
Gunsten des Verlegers verfiel, sobald eine Verzögerung
in der Lieferung des Manuskriptes eintrat; und Herr Wer⸗
ner Rentel konnte seine Abonnenten durch die verzögerte
Herausgabe der folgenden Hefte nicht befriedigen. Es kam
zu unliebsamen Auseinandersetzungen, denen Rentel einen
befriedigenden Abschluß dadurch gab, indem er Schwarz
an sein Pult rief und im Einverständnis mit dem großen
Journalisten folgendes sagte: „Mein lieber Herr Schwarz,
Sie wollen sich gefälligst von jetzt ab auf einige Zeit regel—
mäßig in den Vormittagsstunden zu Herrn Doktor Jo—
achimsthal hinaufbemühen, um mit dessen Gemahlin ge⸗—
meinschaftlich den Roman „Magdalena“ zu beendigen. Ver⸗
stehen Sie ?“
Wenn Oskar jetzt am Schreibtisch des behäbigen Doktors
saß und nach bestem Willen dafür Sorge trug, daß die keu—⸗
sche Magdalena doch noch nicht ganz für die Hintertreppen⸗
literatur verloren ging, so konnte es nicht ausbleiben, daß
nun auch Frau Selmas Mann diese junge, vorzügliche
Arbeitskraft binnen kurzer Zeit schätzen lernte.
„Sie sollten Journalist werden,“ meinte Joachim eines
Morgens, als er im Arbeitszimmer die Zeitungen durch⸗
flog. „Die Presse ist die angesehenste Macht, die jedem
Talent das erste Ansehen gibt.“
Er stöhnte und fuhr fort: „Herr Rentel hat mir erzählt,
daß Sie vorzügliche Novellen geschrieben haben. Ich ver⸗
mag viel, alle Journale kennen meinen Namen, vielleicht
vermag ich etwas für Sie zu tun. Bringen Sie mir mit,
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und sie irgend einer Zeitung empfehlen. Ich vermittele der⸗