21 —
gung für seine Handlangerdienste. Was für Studien über
die Not und das Elend des viertenStandes konnte er nicht
machen! Es kamen Leute, um auf wenige Tage Sachen
einzulösen, die sie gewöhnlich in der zweiten Hälfte der
nächsten Woche wieder versetzten; Arbeiter sprachen vor,
die sich am Sonntage amüsieren und ihren guten Rock zu—
rückhaben wollten, den sie am Freitag erst hierher gebracht,
und bleichwangige Frauen hatten endlich so viel erübrigt,
um ihre Wintermäntel einlösen zu können.
Dazwischen tauchten Arbeiterinnen auf, die um dies und
jenes baten. Hin und wieder zeigte sich das verlebte Ge—
sicht einer professionierten Dirne, die ihre Stiefeletten ein—
löste, mit denen sie heute Abend noch auf dem Parkett
irgend eines Ballokales zu prunken beabsichtigte. „Aber
bitte, Herr Laib, ich habe nicht viel Zeit,“ hieß es dann
— und der Rückkaufshändler hatte alle Hände voll zu tun,
um die Scheine abzunehmen, in dem fettigen Journal zu
blättern und seinem Neffen Felix im Nebenraume die
Nummern zuzurufen.
Frau Serene verließ an solchen Abenden gewöhnlich
die Lücke zwischen den beiden Mahagonispinden. Man
hatte dann den großen Lehnstuhl dicht an den Ladentisch
gerückt, um es der Dicken bei ihrer Tätigkeit, die darin be—
stand, das Geld in Empfang zu nehmen, recht bequem zu
machen. Wenn dann in der Gruppe der Einlösenden Leute
auftauchten, denen man die Absicht, etwas zu versetzen,
schon an der Zurückhaltung ansah, mit der sie angesichts
der Glücklichen, die Geld aus der Tasche holten, statt es
zu empfangen, halb scheu im Hintergrunde blieben, so be—
achtete man sie vorläufig gar nicht. Denen sah man es
schon an der Leichenbittermiene an, daß sie nur brachten,
statt zu holen, und die liefen auch nicht weg, warteten gedul⸗
dig und waren froh, wenn man ihnen überhaupt etwas gab.
Und in diesem Kommen und Gehen, in diesem Gewirr
der verschiedenen Stimmen erklang das Feilschen und
Handeln um Ermäßigung der Zinsen, ertönte Herrn Moritz
Isidor Laibs Rufen durch die Tapetentür: „Felit —