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Zwölftes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

292 — 
flackerte die alte Liebe zu Magda jähempor und beherrschte 
ihn mit ihrer süßen Erinnerung wieder ganz und voll. — 
Er ergriff seinen Hut und stürzte hinaus, um die Stra⸗ 
ßen zu durchirren. Er ging zur selben Zeit dorthin, wo 
Leonhard Magda getroffen hatte, in der Meinung, er müsse 
ihr auch begegnen. Wer hatte jetzt das Glück, von ihr beim 
Vornamen genannt und geliebt zu werden? Er hätte ihn 
erdrosseln können. Und nach Stunden kehrte er mit vollem 
Herzen zurück nach Hause und griff zu Papier und Feder, 
um das aufgeregte Gemüt beim Vergessen der gemeinen 
Welt zu beruhigen. 
Nach wie vor war er mit Fleiß im Kontor des Herrn 
Werner Rentel tätig, als er eines Tages die nähere Be— 
kanntschaft Dagobert Fischs machte. Der Exphilologe pflegt 
sich bereits des Morgens einzustellen, wenn der Chef des 
Hauses noch nicht anwesend war. Mit der Zeit fühlte Oskar 
für den großen Volksschriftsteller mehr Mitleid als Abscheu. 
Das war seit dem Tage, an dem er Gelegenheit fand, sich 
von der großen Gelehrsamkeit Doktor Fischs zu überzeugen. 
Er benutzte die Frühstückspause dazu, sich in Shakespeare 
zu vertiefen, von dem er beständig einen Band in seiner 
Schublade bewahrte. Er las Hamlet, trotzdem er ihn fast 
im Kopfe hatte. Herr Dagobert Fisch trat hinzu und über— 
zeugte sich von der Lektüre. Alsbald begann er, inspiriert 
vom Morgen-Alkohol, einen klassischen Vortrag über 
Shakespeare im allgemeinen und Hamlet im speziellen 
zu halten, der Schwarz sehr interessierte. 
„Wissen Sie, wer Hamlet allein verstanden hat? Ich. 
Ja, Dagobert Fisch hat dies größte aller Trauerspiele allein 
verstanden. Der Dänenprinz bin ich. Sehen Sie mich nur 
an, Sie halten mich für verrückt, nicht wahr? Sprechen 
Sie das Ja aus, dann haben Sie mich verstanden und ich 
behalte recht.“ 
Oskar Schwarz war allerdings nahe daran, ihn im 
Augenblick für nicht recht bei Sinnen zu halten. 
Der geschätzte Romanfabrikant fuhr abermals fort: 
„Hamlet ist die größte Komödie des eingebildeten Irr⸗
	        
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