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und emsig gearbeitet hatten, dann sagte der Sohn plötzlich:
„Mutter, höre —“ Er las ihr vor, was er geschrieben hatte.
Sie blickte verwundert auf und vergaß das Nähen. „Was
du alles schreibst,“ meinte sie kopfschüttelnd, „was soll
das nun sein?“ Er wurde ärgerlich. Man brachte ihm hier
kein Verständnis entgegen, das war der Wurm, der an
ihm zu nagen begann. Er warf alles zusammen und sagte:
„Mutter, das verstehst du nicht.“ Zugleich nahm er sich
vor, niemals mehr etwas vorzulesen. Am anderen Abend
aber tat er es doch wieder.
Wenn er schließlich kein verständnisvolles Wort der
Anerkennung cus dem Munde seiner Lieben vernahm,
dann ging er mit seiner Mappe zu LeonhardSirach hinüber,
der ihm Teilnahme entgegen brachte.
Leonhard hatte sich das Verschwinden Magdas nicht
minder zu Herzen genommen, als Oskar, aber er vermied
es, zu seinem Freunde von der einstigen Freundin zu spre—
chen, denn Oskar wurde jedesmal gereizt und wollte von
dem „falschen Geschöpf“ nichts mehr wissen. „Die ganze
Welt ist voll Lug und Trug,“ meinte er, „laß aus ihr wer—
den, was da will.“
Als aber Leonhard ihm einmal erzählte, daß er ihr
begegnet sei und sogar mit ihr gesprochen habe, wurde
Oskar furchtbar erregt. „Wie sah sie aus, was macht sie?
Wo ist sie, wie geht es ihr? Weshalb besucht sie ihre Eltern
nicht mehr? “ brachte er hintereinander hervor.
„O, es scheint ihr sehr gut zu gehen. Sie sah sehr fein
aus, so daß ich sie zuerst gar nicht wieder erkannte. Sie er—
kundigte sich nach allen, und läßt dich besonders grüßen.“
Oskar konnte jetzt nicht genug erfahren. Leonhard
mußte ihm jedes Wort wiederholen, das sie gesprochen
hatte. Dabei befiel ihn ein gewisser Neid, daß seinem Freun—
de der Zufall so günstig gewesen war, und er betrachtete
Leonhard mit dem alten Mißtrauen. Als er ihn fragte, ab
sie nicht ihre Wohnung angegeben habe, und Sirach dies
verneinte, glaubte er ihm nicht. In diesem Augenblick
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