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Zweites Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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rollen sah. Tante Serene verhätschelte ihn förmlich, Felirx— 
chen war ihr Ein und ihr Alles; die Erfüllung des frommen 
Wunsches konnte also nicht ausbleiben. Zuvörderst mußte 
man aber in den sauren Apfel beißen: regelmäßig des 
Sonnabends zwischen alten Kleidern zu stöbern, in all der 
dumpfen Atmosphäre, in der Ausdünstung jeder Art die 
Stehleiter hin⸗ und herzurücken, sie auf⸗ und abzuklimmen, 
um nach den Nummern der Versatzobjekte zu suchen. 
Wie schön hatte sich nicht der junge Mensch das zu— 
künftige Leben ausgemalt! Onkel Moritz war alt, dabei 
krank und gebrechlich — er konnte also nur noch wenige 
Jahre leben. Tante Serene meinte es gut; sie würde dann 
leicht zu bewegen sein, das schmutzige Geschäft, das trotz 
des großen Verdienstes über den Titel „Krämer und Tröd⸗ 
ler“ nicht hinauskommen ließ, aufzugeben. Inzwischen 
hätte Felix dann seine Lehrzeit in einem Bankgeschäft 
vollendet; man könnte aus dieser gemeinen Vorstadt fort⸗ 
ziehen und sich in einer der Straßen der Friedrichstadt, 
womöglich Unter den Linden, etablieren. 
Wenn Felirx Rosenstiel nachmittags oder abends diese 
pornehmste Straße Berlins passierte, hatte er es sich zur 
Gewohnheit gemacht, vor den hellerleuchteten Schaufen⸗ 
stern der Bank⸗ und Wechselgeschäfte stehen zu bleiben und 
durch das lange Betrachten der ausgelegten Banknoten und 
Goldmünzen seinen Illusionen den weitesten Spielraum zu 
geben. Seine Zukunftspläne nahmen dann Form und 
Gestalt an. Im Geiste sah er sich bereits an der Stelle des 
dicken Herrn dort hinten am Geldschrank sitzen, mit der 
ganzen Würde eines gut situierten Mannes an der schweren 
goldenen Uhrkette spielen und behaglich den Dampf der 
Zigarre von sich stoßen. Das sollte ein Leben werden! 
Dann hielt man sich womöglich seinen Einspänner, fuhr 
Vormittags zur Börse und soupierte Abends mit irgend einer 
kleinen Ratte vom Ballet, wie es unter lebenslustigen Leu—⸗ 
ten, die nur in den Säckel zu greifen brauchen, so üblich ist 
Außer dem reichlichen Taschengeld, das Felix vom Onkej 
erhielt, fand er in seiner Beschäftigung reiche Entschädi.
	        
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