Path:
Zweites Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

19 
— 
bereits ganz nette Anlagen zeigte, die Aufgaben eines 
Rückkaufshändlers in ihrer ganzen Größe zu würdigen. 
Felix Rosenstiel war der Sprößling von Frau Serenens 
einziger Schwester, die als Witwe eines bankerotten Börsen⸗ 
maklers in beschränkten Verhältnissen lebte. Es war Se— 
renens Wunsch, ihren Neffen, da sie selbst kinderlos war, 
dereinst als Sohn zu adoptieren und ihn das Erbe ihres 
Mannes antreten zu lassen. 
Felix Rosenstiel war ein gewitzter Junge von siebzehn 
Jahren, dessen schlanke Gestalt durch die Last eines über⸗ 
großen Kopfes, mit einem Antlitz, das aus einer einzigen 
großen Nase zu bestehen schien, den steten Eindruck eines 
schlecht gezeichneten Ausrufungszeichens gewährte. Trotz 
alledem hatte er bereits angefangen, sich für Serenens Geld 
wie ein Geck zu kleiden und seinem ganzen Benehmen, 
seinen Bewegungen den Stempel eines angehenden Löwen 
der Spandauerstraße zu verleihen. Die großkarierten Bein⸗ 
kleider, das enganliegende Jakett von gleichem Jockeystoff, 
der blutrote, breite Schlips, in dem eine riesige Hufeisen— 
nadel den Gedanken, es mit einem intelligenten Reitknecht 
zu tun zu haben, besonders verstärkte; die weit über die 
großen Hände herabfallenden gestreiften Manschetten, auf 
denen die stets sichtbaren Talmiknöpfe wie kleine Räder 
glänzten, das in der Mitte gescheitelte, in seinen äußersten 
Spitzen auf die Stirn geklebte schwarze Haar, die affektierte 
Vornehmtuerei, mit welcher Felix Rosenstiel alle fünf Mi— 
nuten nach dem zusammengeklappten, zwischen zwei Knöp⸗ 
fen seines Jaketts heraushängenden Pincenez griff, und 
die doch nicht im Stande war, seinem dummen Gesicht 
sympathische Linien zu verleihen — alles das machte diesen 
frühreifen Jüngling zum Typus eines Menschen, der kaum 
flügge geworden, bereits von Strebertum und Genußsucht 
angefressen ist. 
Felixens größter Ehrgeiz ging dahin, dereinst „Bankier“ 
zu werden und als solcher inmitten des verlockenden Lebens 
Berlins eine Rolle zu spielen, natürlich mit dem Gelde 
von Tante Laib, das er bereits im Geiste vor seinen Augen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.