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wiederum leise geklopft. Ida schlug das Herz zum Zer⸗
springen. Das Klopfen wiederholte sich, wie von jemand,
der gern gehört werden möchte, aber zaghaft an der Tür
stehen bleibt.
Frau Merk nahm die Lampe und schritt nach der Küche.
„Wer ist da zu so später Stunde ?“
„Ida, — ich
Sie hätte diese Stimme erkannt und wäre sie inmitten
von hunderttausend Menschen erklungen. Sie öffnete.
„Gott, — Merk!“
Er trat herein, leise und schweigend, wie ein Mensch,
den man während Jahren, gleich einem Hunde, daran ge⸗
wöhnt hat, sich auf das erste Wort still zu bescheiden und
sich seiner Existenz als geduldete Kreatur bewußt zu sein.
Er sagte noch immer kein Wort. Als aber die Tür geschlos⸗
sen war und Ida die Lampe auf den Tisch gestellt hatte,
kamen die Qualen zweier Jahre zumDurchbruch. Er weinte,
leise und unterdrückt. Dann hatte er sein Weib geküßt,
seine Arme um ihren Nacken geschlungen und seinen Kopf
anuf ihre Schultern gesenkt. Seine Brust arbeitete zuckend,
und Schluchzen machte seine Gestalt erzittern. Und da⸗
zwischen kamen nun endlich ein paar Worte über seine
Lippen: „Ida, — Ida.. .mein Weil — mein Weib!“
Und Ida weinte mit. „Komm, sieh' deine Kinder !“
Er stand mit gefalteten Händen vor den Strohsäcken
und betrachtete stumm die Schlafenden. Die Lränen rannen
ihm noch immer über die Wangen. Dann beugte er sich
über die ruhig Atmenden und küßte sie. Das jüngste in
der Wiege blickte er lange an, lange. Er dachte dabei an
einen Geburtstag.... Blutigrot stand er ihm vor Augen.
Er blickte sich um, seine Augen blieben fragend auf seiner
Frau haften, als er die Worte sprach: „Wo ist Magda?“
Idas Herz bekam einen fürchterlichen Stoß. Eine Minute
lang sahen sie sich schweigend an. Merks Augen vergrößerten
sich. Was las er auf dem Gesicht seiner Frau? „Tot —?
Er hielt den Atem an, als würde sonst jedes Wort Idas im
der Aufregung seiner Gefühle ungehört verhallen.