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gute Mutter, ich werde für Euch beten und den Kindern
oft etwas schicken. Magda.“
Da saß nun eine schwergeprüfte Mutter tränenden
Auges und starrte auf die eckigen Schriftzüge, aus denen
eine Welt künftigen Jammers sprach. O, wenn man in die
Seele so einer Mutter blicken könnte, die im Begriff ist, ihr
letztes für ihre beklagenswerte Tochter hinzugeben und
vergeblich nach dieser Tochter ruft; wenn man all den
Müttern, die um der Opfer willen, die sie ihren Kindern
gebracht, zu Märtyrerinnen wurden, ein Denkmal setzen
wollte, — wo fänden sich wohl die Steine dazu und wo
die Stätten, da sie Platz hätten? Aber eine Mutter hofft
noch, wenn auch die Augen rot sind, und die letzte Träne
versiegt ist.
Und Ida hoffte auch — noch am selben Abend. Sie
sang ihr Jüngstes in den Schlaf und zählte dabei die Mi—
nuten und Stunden an der alten Uhr. Sie horchte auf
jeden Laut, jeden Fußtritt, denn sie wartete auf ihre
Tochter. Aber die Minuten vergingen, Stunde auf Stunde
verrann, und Magda kam nicht. Am anderen Tage ging
Frau Merk nach der Fabrik, in der ihre Tochter beschäftigt
gewesen war. Sie erfuhr, daß Magda weggeblieben war.
Sie ging nach der Polizei: — man tröstete sie mit der An⸗
meldung und verhehlte ihr nicht, daß an so einer Tochter
wenig dran sei. Aber eine Mutter glaubt ihr Kind besser
zu kennen; sie forscht weiter, hofft, wartet und ringt dabei
stumm die Hände. Und wartet Tage, Wochen, Monate,
entsetzlich lange Monate, wie Ida auf ihre Tochter Magda
gewartei hatte; sie hofft und bangt so lange, bis sie eines
Abends in später Stunde, mitten im Winter, bei entsetzlicher
Kälte, draußen an der Küchentür ein leises Klopfen hört
und das laute Schreien eines zarten Kindes. Sie öffnet
die Tür, wie Ida sie öffnete, und findet auf der Schwelle,
in einem Körbchen liegend, ein ausgesetztes, kaum vier
Wochen altes Töchterchen, wie Ida es fand. Sie erbarmt
sich des kleinen, hilflosen Geschöpfes, nimmt es in die warme
Stube, betrachtet es, umringt von den Kindern, mit neu⸗
MaxrKreztzzer, Die Verkommenen. 18