267 —
habe der Vater Unheil über ihre Familie gebracht, und nun
komme die Tochter und setze das saubere Geschäft fort.
Aber sie solle sich noch einmal im Hause sehen lassen! Sie
habe ihre Kinder von frühester Jugend nur zu allem Guten
angehalten und wisse auch, daß sie nichts Schlechtes begehen
würden. Und wenn Magda sie wirklich einmal belogen
habe und nahe daran gewesen sei, auf Abwege zu geraten,
so habe sie ihr das verziehen. Das Mädchen habe es nur ge—
tan, um für Mutter und Geschwister zu sorgen. Schlagen
könne sie sie nicht, dazu sei sie schon zu groß; sie kenne auch
ihre Tochter ganz genau und wisse, daß sie unschuldig sei.
Frau Merk hatte das unter fortwährendem Weinen
hervorgebracht. Wenn sie eine Pause machte, schluchzte sie,
Mitleid erweckend, hinter der vorgehaltenen Schürze. Es
war ihr förmlich eine Wohltat, allem, was sich in der letzten
Zeit in ihrem Innern angesammelt hatte, unter heißen
Tränen Luft zu machen.
Flora meinte, es sei am besten, Rosa Jakob vor allen
Leuten den Kopf zu waschen; dann würden die Läster—
zungen ganz von selbst verstummen und wieder von der
„lieben, guten Frau Merk“ sprechen.
Diese Lästerzungen im Hause setzten aber ihr Geschäft
ruhig fort. Einmal hörte Flora auf der Treppe Frau Jakob
und Frau Müller aus dem vierten Stockwerk sich folgender—
maßen unterhalten:
„Haben Sie noch nicht bemerkt, Frau Müller, wie Merks
Tochter sich verändert hat? Das geht doch nicht mit rechten
Dingen zu!“
„Ganz dasselbe wollte ich Sie fragen, Frau Jakobe! Die
Mutter muß blind sein, daß sie das nicht merkt!“
Man lachte zu gleicher Zeit.
„So ein junges Ding —.“
„Nicht wahr? Man sollte es kaum für möglich halten,
daß so etwas in der Welt passieren könne.“
Ja, ja, liebe Frau Jakob, wo einmal so etwas in der
Familie drin liegt, bleibt da nach dem Verbrechen auch die
Sittenlosigkeit nichtaus. Wenn ich dabei bedenke, was Sie