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Jahr zu sitzen. Ida zählte förmlich die Stunden, die ihr
den schwergeprüften Ernährer wiedergeben sollten.
Etwas Auffallendes war in der letzten Zeit im Hause
vorgegangen. Ida wurde außer von Dorchen, Flora und
Sängerkrug von niemand mehr gegriüßt. Wenn man ihr
begegnete, wich man ihr absichtlich aus, und machte sie
Miene, irgend eine Nachbarin anzureden, so überhörte man
ihre Worte einfach, oder gab ihr eine kurge und unhöf—
liche Antwort. Auch Magua rurde trit ger wür digen
Augen betrachtet — von oben bis untcrc— 3te man
irgend etwas Auffälliges an ihr bemer?cn. Eintnal kam
Ida weinend noch ganz spät zu Flora herunter. Sie könne
das nicht mehr ertragen, brachte sie schluchzend hervor.
Was Frau Schwarz wohl glaube, was man im Hause rede?
Sie, Ida, halte ihre Tochter zur Unsittlichkeit an. Die
Jakob drüben im Keller habe ihr heute klaret: Dein darüber
eingeschenkt. Man wolle ihre Tochter in Beglanug eines
alten Herrn gesehen haben. Frau Merk konnte sich nicht
beruhigen. „Ich werde nach der Polizei gehen, wenn das
nicht ein Ende nimmt,“ sagte sie mit nassen Augen.
Frau Schwarz versuchte sie zu trösten. Ida solle so
tun, als höre sie derartige Dinge nicht. Wenn die Welt
lästere, müsse man erst recht den Kopf stolz tragen und sich
über die Klatschzungen erhaben dünken.
Ida befand sich in einer Verfassung, in welcher dem
Menschen das Herz aufgeht. Sie hatte auch sonst Flora nie
etwas zu verschweigen gehabt. Nach zehn Minuten wußte
die Mäntelnäherin, was Magda vor ihrer jetzigen Be—
schäftigung getrieben hatte. Flora konnte dabei nicht ver—
schweigen, daß sie das bereits aus dem Munde der Rosa
Jakob erfahren habe.
Also dieses Frauenzimmer hatte derartie Lügen ver⸗
breitet? Idas Wut und Groll richtete sich nun gegen
Jakobs Tochter und deren Familie. Was sie dieser Sipp⸗
schaft nicht schon alles zu verdanken habe! Sie möchte den
Tag verfluchen, an dem sie in dieses Haus gezogen sei. Bis
jetzt habe sie nichts alss Kummer und Arger gehabt. Erst