Elftes Kapitel.
Drei Monate waren seit jenem Tage vergangen, an dem
Oskar die Leiden eines Schreibers zu durchkosten begonnen
hatte. Magda verdiente bereits und erfreute ihre Mutter
mit ihrer wöchentlichen Unterstützung. Allabendlich saß
Idas Tochter unten bei Schwarzens an der Seite Oskars,
der mehr denn je bestrebt war, die Lücken seines Wissens
durch eisernes Selbststudium nach Kräften auszufüllen.
Zehn Taler seines Monatsgehaltes lieferte er seiner Mutter
ab, für das übrige Geld kleidete er sich und kaufte Bücher.
Die Mäntelnäherin war glücklich, und noch glücklicher
ihr Sohn, der sich doppelt für die Mühen des Tages ent⸗
schädigt dünkte, wenn er Magda in die Augen schauen durfte,
den Klang ihrer Stimme vernahm und nur die Hand aus—
zustrecken brauchte, um die ihrige zu haschen, oder sie neckisch
an ihren schweren Haarflechten zu ziehen.
Und diese blutjunge Arbeiterin war auch der unwider⸗
stehliche Magnet, der Leonhard Sirach zu derselben Stunde
nach dieser ärmlichen Behausung zog. Er brachte seine
Geige mit herüber, um Magdas stete Bitten, „etwas Schö—
nes zu spielen“, mit Freude zu erfüllen. Ihm ward jetzt
allein die Seligkeit zu teil, Merks Tochter vor der Tü
ihres Geschäfts zu erwarten, da sein Freund erst spät
nach Hause kam.
Oskar wußte nicht woher es kam, daß er auf diesen
Vorzug neidisch wurde, daß ein Gefühl des Mißtrauens sich
einer bemächtigte, wenn er sah, daß Magda zu Leonhard