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Zehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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die Ehre hatte, sahen sich schließlich genötigt, dem beleibten 
Kollegen die Mitteilung zu machen, daß er zwar wie jeder 
andere Journalist seine hervorragenden Eigenschaften habe, 
aber leider nur den einen Fehler besitze, die leichte Feder 
wie eine entsetzlich schwere Keule zu betrachten, die man 
unter Achzen und Schweißtropfen schwingen müsse, ohne 
mit ihr von der Stelle zu kommen. 
Es war also erwiesen, daß Herr Doktor Joachimsthal 
durchaus nicht zum leichtgeflügelten Tagesliteraten berufen 
war. Er befleißigte sich daher, „Mitarbeiter außer dem 
Hause“ zu sein, er bildete es sich wenigstens ein, denn alle 
vier Wochen passierte es zum Unsegen der Menschheit, daß 
er glücklich, nach unendlichen Beschwerden, irgend eine 
feuilletonistische oder politisch-literarischc Sisyphusarbeit 
überwältigt hatte. Schließlich reßcn er und beschränkte 
die Ausfüllung seines Daseins der wandelnde lite⸗ 
rarische Bureau seiner Gattin Lilden. 
Die schöne Selma mußte sich also 7u der Klasse jener 
zahlreichen Frauen rechnen, die ihre Männer ernähren. 
Sie befand sich dadurch anderen zarten Ehehälften gegen— 
über, die von den Einnahmen ihrer Gatten lebten, im 
Vorteil: sie hatte alle Ursache, den Pantoffel zu schwingen 
und daraus die Berechtigung zu ziehen, die zarten Gefühle, 
die man sonst einem achtungsvollen Hausherrn in der Ehe 
entgegenzubringen pflegt, an einen anderen zu verschwen⸗ 
den. Sie war eine sinnliche Natur, die ledigüch nur Ver— 
gessenheit für das Mißgeschick ihres Leben“ das ihr ein 
Joachimsthal aufbürden konnte, suchen wolnc. Materiellen 
Nutzen wollte sie daraus nicht ziehen 
Wenn ihr Gatte es hin und wieder wagte, bei dem 
Bankier kleine Anleihen zu machen, die im in Anbetracht 
des Mitleids, das Herr Salo Freystättoer für den hinter⸗ 
gangenen Ehegatten empfand, bereitwilligst gewährt wur⸗ 
den, so war sie allerdings rechnende Hausfrau genug, um 
nicht die Annehmlichkeit einer derartigen zeitweiligen Auf⸗ 
besserung ihres Haushaltungsetats zu empfinden, — um 
somehr, da sie einen Aufwand trieb, der mit den Einnahmen
	        
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