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die Ehre hatte, sahen sich schließlich genötigt, dem beleibten
Kollegen die Mitteilung zu machen, daß er zwar wie jeder
andere Journalist seine hervorragenden Eigenschaften habe,
aber leider nur den einen Fehler besitze, die leichte Feder
wie eine entsetzlich schwere Keule zu betrachten, die man
unter Achzen und Schweißtropfen schwingen müsse, ohne
mit ihr von der Stelle zu kommen.
Es war also erwiesen, daß Herr Doktor Joachimsthal
durchaus nicht zum leichtgeflügelten Tagesliteraten berufen
war. Er befleißigte sich daher, „Mitarbeiter außer dem
Hause“ zu sein, er bildete es sich wenigstens ein, denn alle
vier Wochen passierte es zum Unsegen der Menschheit, daß
er glücklich, nach unendlichen Beschwerden, irgend eine
feuilletonistische oder politisch-literarischc Sisyphusarbeit
überwältigt hatte. Schließlich reßcn er und beschränkte
die Ausfüllung seines Daseins der wandelnde lite⸗
rarische Bureau seiner Gattin Lilden.
Die schöne Selma mußte sich also 7u der Klasse jener
zahlreichen Frauen rechnen, die ihre Männer ernähren.
Sie befand sich dadurch anderen zarten Ehehälften gegen—
über, die von den Einnahmen ihrer Gatten lebten, im
Vorteil: sie hatte alle Ursache, den Pantoffel zu schwingen
und daraus die Berechtigung zu ziehen, die zarten Gefühle,
die man sonst einem achtungsvollen Hausherrn in der Ehe
entgegenzubringen pflegt, an einen anderen zu verschwen⸗
den. Sie war eine sinnliche Natur, die ledigüch nur Ver—
gessenheit für das Mißgeschick ihres Leben“ das ihr ein
Joachimsthal aufbürden konnte, suchen wolnc. Materiellen
Nutzen wollte sie daraus nicht ziehen
Wenn ihr Gatte es hin und wieder wagte, bei dem
Bankier kleine Anleihen zu machen, die im in Anbetracht
des Mitleids, das Herr Salo Freystättoer für den hinter⸗
gangenen Ehegatten empfand, bereitwilligst gewährt wur⸗
den, so war sie allerdings rechnende Hausfrau genug, um
nicht die Annehmlichkeit einer derartigen zeitweiligen Auf⸗
besserung ihres Haushaltungsetats zu empfinden, — um
somehr, da sie einen Aufwand trieb, der mit den Einnahmen