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„Wirklich vorzüglich, lieber Doktor Joachimsthal, ver—
stehen Sie?“ Dieses „verstehen Sie“ war ihm so zur
Gewohnheit geworden, daß er es selbst in Augenblicken an—⸗
wandte, wo es durchaus nicht angebracht war.
Joachimsthal lächelte geschmeichelt. O, seine Selma
sollte nicht alles vortrefflich machen! Wer hätte das nur
glauben können?
Herr Werner Rentel vertiefte sich dann in den aus—
gearbeiteten Plan nebst Kapitelüberschriften.
Serenens Bruder ging einstweilen wieder auf und ab,
nahm in seiner Nervosität ein Buch zur Hand, betrachtete
es, warf es wieder hin, um bei einem Stoß Hefte dasselbe
Manöver zu wiederholen, kramte überall herum, warf seinen
Blick in jeden Winkel, und schnüffelte wie ein unaus—
stehlicher Neugieriger bald hier, bald dort.
Inzwischen hatte es wieder geklopft. Oskar Schwarz
öffnete die bekannte Tür zum Dichterheim Doktor Fischs,
und Dagobert kam hereingetänzelt, sich tief vor dem ihm
bekannten großen, freiheitsliebenden Journalisten verbeu—
gend und gegen die Ecke eines Tisches rennend. Dann ver⸗
schwand er wieder, mit süßlich-lächelnder Miene immer
halb rückwärts gehend, als wollte er seine bedenklich schief
getretenen Absätze und unten ausgefransten Beinkleider
durch nie ruhende Verbeugungen dem Auge eines Be—
obachters entziehen. Und Doktor Joachimsthal warf einen
blöden Blick auf ihn, der die ganze geistige Überlegenheit
diesem Schmarotzer gegenüber enthalten sollte, aber durch⸗
aus nicht zur Geltung kam.
Felixens Onkel steckte bedenklich in Schulden, die in
alter Zeit ihren Anfang genommen und im Laufe der Jahre
sich vergrößert hatten. Joachim verdiente soviel wie gar—
nichts, denn die Arbeit am Schreibtisch schien ihm eine Last,
die einem korpulenten Menschen gleich ihm das Atmen er⸗
schwere. Ihm fehlte das Sitzfleusch, das bei einer frucht⸗
bringenden Beschäftigung mit der Feder nun einmal ab⸗
solut vonnöten ist. Sämtliche liberale Redaktionen, deren
Mitglied zu sein Doktor Joachimsthal während kurzer Zeit
Maxretzzer Die Verkommenen. 17