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Zehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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herunter und fiel auf seinen Todfeind, ohne sich Schaden 
zu tun, das dritte Mal —.“ 
„Alles sehr schön, lieber Doktor, aber es hilft nichts, 
die Spannuug muß da sein, verstehen Sie? Man nimmt 
uns die letzten Hefte nicht ab und wir behalten die Prämien 
auf dem Hals. Lassen Sie also im Augenblick, wo der 
Henker ihm den Strick um den Hals legen will, den Galgen 
zusammenbrechen und den Sohn des Grafen in ein unter⸗ 
irdisches Gewölbe stürzen, von dem aus ein langer Gang 
nach dem Schlosse seines ihm unbekannten Vaters führt. 
Verstehen Sie? So schlagen wir zwei Fliegen mit einer 
Klappe. Das macht Effekt! Die Geschichte ist zwar schon 
einmal im „Schloßgespenst“ vorgekommen, aber das ist 
bereits vergessen. Also machen Sie das so, kurz und knapp, 
aber recht spannend und aufregend, verstehen Sie ?“ 
Herr Dagobert verstand abermals. Er verschwand, 
und der Schlüssel wurde umgedreht. Es war erstaunlich, 
welche Hilfsquellen, selbst in Fällen, wo die Quelle seiner 
Phantasie ganz zu versiegen drohte, der schnapsliebende 
Philologe bereit hatte, um die Teilnahme seiner Leser wach 
zu halten. Kein Turm war hoch genug, kein Burgvperließ 
tief genug, ohne daß nicht der Held doch noch das Tages— 
licht erblickt hätte. Einmal ließ er in der höchsten Verzweif— 
lung, als der Henker bereits nahte, dem unschuldig Leidenden 
die Gedanken kommen, sein langes Haar abzuschneiden 
und daraus ein Seil zu flechten, das ihn der Erde nahe 
brachte. Als sein Held dann ergriffen, ein Stockwerk tief 
in einen Kerker ohne Licht und Fenster geworfen wurde, 
ließ er ihn sich entsinnen, daß er seit langer Zeit eine Schach— 
tel schwedischer Streichhölzer mit sich herumtrage. In der 
Mauer zeigte sich dann der bekannte Stein, der sich bewegt, 
und die noch bekanntere Wendeltreppe, von der niemand 
eine Ahnung hatte, wurde sichtbar. 
Gewöhnlich begann er seine Romane mit Einführung 
des „uungen, hochgewachsenen Mannes“, der, in einen 
langen Reitermantel gehüllt, an einem schaurigen Regen— 
abend, an die Wände der Häuser gedrückt, durch die ent—
	        
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