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jragte Flora. „O, wenn die Zinsen nicht wären, die fressen
rinen schließlich auf. Ich wünsche, daß du das nicht lange
lennen lernen mögest.“
„Wo wohnst du denn eigentlich?“ fragte Ida. Die
Mäntelnäherin nannte ihr die Nummer eines Hauses in
der Gerichtsstraße.
Frau Merk war einigermaßen erstaunt. „Da — ?*
meinte sie, „da wohnen ja auch die Jakobs, o ich kenne
das Haus, es sollen dort schrecklich viel Menschen hocken.“
„Aber man wohnt billig,“ warf die Mäntelnäherin ein.
„Besuche mich einmal.“ Ida sagte zu. Eine Strecke noch
gingen die beiden Frauen, Ida ihr Kind an der Hand,
in ein lebhaftes Gespräch vertieft, neben einander her.
Als sie sich endlich trennen mußten, fragte Frau Merk
plötzlich: „Wirst du mir etwas übel nehmen?“ Die Män⸗
telnäherin blickte sie halb erstaunt an, und fragte dann
weiter, wie sie das meine. Ida zögerte einen Augenblick,
dann begann sie wieder, indem sie ihre Freundin fast
bittend ansah: „Ich weiß, du hast noch weniger als wir.
Du bist schon bei dem letzten deiner Wirtschaft angelangt.
Nimm das, ich bitte dich, weise es nicht zurück, es kommt
von gutem Herzen.“
Ida hatte bei diesen Worten ihrer Freundin einen
harten Taler in die Hand gedrückt.
„O“, machte Flora, und wollte das Geld nicht nehmen.
Frau Merk ließ ihr aber keine Ruhe und legte sich schließ⸗
lich aufs Bitten.
„So nimm bis auf weiteres meinen herzlichsten Dank,“
sagte die Mäntelnäherin, „vielleicht kann ich es dir später
einmal vergelten.“ Das Weinen war ihr nahe.
Damit ging man an der Straßenecke auseinander.