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Zehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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freund erblickt, der aus inniger Liebe zur Muse die Opfer in 
Gestalt von Papier und Druckerschwärze bringt: ganz abge⸗ 
sehen vom Honorar, dessen Forderung man wie eine Be⸗— 
leidigung des angeregten Menschenfreundes und eine Ver— 
höhnung des eigenen Ichs auffassen würde. 
Aber das Leben ist eine Kette von Grausamkeiten, deren 
Druck man mit den Jahren fühlt und in der die leidige 
Gewohnheit dasjenige Glied bildet, das den ÜUbergang von 
der phantastischen Vorstellung zur gemeinen Alltäglichkeit 
bildet. Mit der Zeit passiert es denn, daß der besagte geld⸗ 
verachtende Dichter ein ganz praktischer Mensch wird und 
im allgemeinen jetzt in dem Worte Verlagsbuchhandlung 
die Bedeutung eines Warenhauses erblickt, in dem die hoch⸗ 
gepriesene Muse zur melkenden Kuh degradiert wird. 
Etwas von dieser Prosa des Lebens geht dann auch auf 
ihn über: er wird ein höchst vernünftiger und verständiger 
Mann, der da weiß, wie geduldig das Papier ist und daß 
gleich dem Verleger der Dichter ebenso wenig vom Nektar 
und Ambrosia leben kann. Am Ende tröstet er sich mit 
Heinrich Heine, der so ausgezeichnete unsterbliche Verse 
gemacht hat und doch noch nebenbei Zeit genug hatte, 
vortreffliche satirische Außerungen zu tun, die trotz allen 
prosaischen Beigeschmackes ewig für die Wahrhaftigkeit 
sprechen werden, wie etwa folgende: „Wenn zwei Dienst⸗ 
mädchen im gesegneten Deutschland zusammentreffen, 
sprechen sie von ihrer Herrschaft, und wird zwei Schrift- 
stellern dasselbe Vergnügen zuteil, so räsonnieren sie auf 
ihre Verleger.“ 
Wer sollte sich nach diesen Betrachtungen nicht in die 
Phantasie Oskars hineinzudenken vermögen, — in jene 
Phantasie eines himmelstürmenden Poeten, die beim An⸗ 
blick von gedruckter Makulatur schon den weitesten Spiel— 
raum gewinnt und in dem eigentümlichen Geruch von 
frischer Druckerschwärze und noch halbfeuchtem Papier 
stetig neue Nahrung bekommt. 
Unser Freund wurde nur insofern in seinen Illusionen 
geftört, als er im Verlaufe weiterer acht Tage eine Art
	        
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