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Zehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

Zehntes Kapitel. 
Eines Tages sagte Frau Schwarz zu ihrem Sohn: 
„Oskar, es wird Zeit, daß du etwas verdienst, lies die 
Zeitungen und sieh zu, daß du in irgend einem Bureau 
eine Stelle als Schreiber bekommst.“ 
Oskar sah das ein. Vierzehn Tage lang schrieb er 
täglich ein Dutzend Offerten, ohne irgend den gewünschten 
Erfolg zu sehen. Endlich gelangte ein Brief an ihn. Er 
kam von der Verlagsbuchhandlung Rentel aus der Bülow⸗ 
straße. Der Umstand, daß Oskar im Hause des Verlegers 
wohnte, hatte diesen besonders bewogen, unter dem halben 
Hundert eingelaufener Bewerbungsschreiben dasjenige 
Schwarzens zu berücksichtigen. 
Der Sohn der Mäntelnäherin trat seine Stellung an. 
Des Morgens und Abends machte er auf dem Verdeck des 
Omnibusses die weite Reise durch die Riesenstadt. Mittags 
aß er die mitgenommenen Butterbrote und dachte dabei 
an Mutter und Schwester am jenseitigen Ende der „Welt 
für sich“, die man Berlin nennt. 
Nach acht Tagen bereits hatte er beim ewigen Einerlei 
des Adressenschreibens einen tiefen Einblick in das Getriebe 
einer Kolportage⸗Buchhandlung getan, der seine bisherigen 
idealen Vorstellungen von der Dichtkunst mit Entsetzen er⸗ 
füllte. Aber er war fleißig und bescheiden, ließ nie seiner 
Umgebung von seinen innersten Gedanken etwas merken, 
und verdiente sich das kärgliche Monatsgehalt von fünfzehn 
Talern redlich. Wenn er des Abends spät, geistig müde
	        
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