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Konfektionsdame werden und feine Kleider tragen.“ Und
zu ihrer Schwester gewendet, fragte sie, ob sie nicht bald
ein paar abgelegte Sachen bekommen könne, die Leute
machten sich schon über sie lustig.
Es war bereits dunkel, als Rosa aufbrach. Zu gleicher
Zeit mit ihr erhob sich Kaulmann.
Es sei eine öde Gegend hier draußen, meinte er. Rohe
Burschen trieben sich in Hülle und Fülle herum, die allein—
gehenden Mädchen und Frauen in den Weg liefen, um sich
allerlei Zudringlichkeiten zu erlauben. Er wollte Rosa da—
her ein Stück Weges begleiten, bis sie in die belebteren
Straßen komme. Rosa war vergnügt, sie wollte ihrem unge—
schliffenen Verehrer den Abend heute nicht verderben.
Überdies betrachtete sie ihn doch nur wie einen Ketten—
hund, den man zur Not gebrauchen konnte. Sie lachte, gab
dann ihre Zustimmung und verabschiedete sich. Die Kinder
begleiteten sie bis zum Torweg, und Minna mußte sie mit
Gewalt zurückschicken, sonst wären sie in ihren Pantoffeln
eine halbe Meile mit gelaufen.
Auf der Straße schritten Rosa und Kaulmann schwei—
gend neben einander her. Sie ging zu seiner Rechten, und
er immer einen Schritt von ihr entfernt. Er wagte nicht,
sich den Anschein zu geben, als gehörte er zu ihr. Als der
Stadtteil belebter wurde und Rosa sich trennen wollte,
blieb er stehen.
„So,“ sagte sie, „jetzt können Sie wieder nach Hause
gehen, ich danke Ihnen für Ihre Begleitung. Bleiben Sie
recht hübsch gesund, Herr Kaulmann. Vielleicht sehen wir
uns nächsten Sonntag wieder.“
Sie standen an einer Straßenecke, die nicht sehr hell
beleuchtet war. Einen Augenblick blieb er stumm, weil er
nicht wußte, was er sagen sollte. Dann griff er nach ihrer
Hand und hielt sie fest. Sie fand das unangenehm und
entzog sie ihm wieder.
„Nun —?“ sagte sie kalt, völlig verändert. „Ich muß
gehen. Adieu, mein Schatz erwartet mich.“