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Neuntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

242 — 
Konfektionsdame werden und feine Kleider tragen.“ Und 
zu ihrer Schwester gewendet, fragte sie, ob sie nicht bald 
ein paar abgelegte Sachen bekommen könne, die Leute 
machten sich schon über sie lustig. 
Es war bereits dunkel, als Rosa aufbrach. Zu gleicher 
Zeit mit ihr erhob sich Kaulmann. 
Es sei eine öde Gegend hier draußen, meinte er. Rohe 
Burschen trieben sich in Hülle und Fülle herum, die allein— 
gehenden Mädchen und Frauen in den Weg liefen, um sich 
allerlei Zudringlichkeiten zu erlauben. Er wollte Rosa da— 
her ein Stück Weges begleiten, bis sie in die belebteren 
Straßen komme. Rosa war vergnügt, sie wollte ihrem unge— 
schliffenen Verehrer den Abend heute nicht verderben. 
Überdies betrachtete sie ihn doch nur wie einen Ketten— 
hund, den man zur Not gebrauchen konnte. Sie lachte, gab 
dann ihre Zustimmung und verabschiedete sich. Die Kinder 
begleiteten sie bis zum Torweg, und Minna mußte sie mit 
Gewalt zurückschicken, sonst wären sie in ihren Pantoffeln 
eine halbe Meile mit gelaufen. 
Auf der Straße schritten Rosa und Kaulmann schwei— 
gend neben einander her. Sie ging zu seiner Rechten, und 
er immer einen Schritt von ihr entfernt. Er wagte nicht, 
sich den Anschein zu geben, als gehörte er zu ihr. Als der 
Stadtteil belebter wurde und Rosa sich trennen wollte, 
blieb er stehen. 
„So,“ sagte sie, „jetzt können Sie wieder nach Hause 
gehen, ich danke Ihnen für Ihre Begleitung. Bleiben Sie 
recht hübsch gesund, Herr Kaulmann. Vielleicht sehen wir 
uns nächsten Sonntag wieder.“ 
Sie standen an einer Straßenecke, die nicht sehr hell 
beleuchtet war. Einen Augenblick blieb er stumm, weil er 
nicht wußte, was er sagen sollte. Dann griff er nach ihrer 
Hand und hielt sie fest. Sie fand das unangenehm und 
entzog sie ihm wieder. 
„Nun —?“ sagte sie kalt, völlig verändert. „Ich muß 
gehen. Adieu, mein Schatz erwartet mich.“
	        
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