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sich in halber Wendung um, beugte sich zur Diele, als suchte
er etwas, und benutzte die Gelegenheit, mit seinem bunten
Taschentuch über Augen und Wangen zu fahren.
Rosa sah das alles, und im Augenblick fühlte sie etwas
wie Mitleid für den Kesselschmied. Eigentlich hatte er sie
tief beschämt, aber das konnte sie sich schließlich nicht merken
lassen. Er hatte ja recht: sie hätte mehr für die Mutter und
Geschwister tun können, als sie bisher getan hatte. Sie
hatte oft daran gedacht, ihre Schritte wenigstens allwöchent⸗
lich einmal nach hier hinaus zu lenken, aber im Rausch des
Vergnügens war der gute Vorsatz bald vergessen. Ja,
wenn man dieses Elend tagtäglich vor Augen gehabt
hätte — aber es war gut, daß man das nicht sah. Wer hatte
sich auch um sie bekümmert, als sie nahe daran war, wie
ein Straßenmädchen zu verkommen“!
Sie schwieg, fühlte aber das ganzc Peinvolle ihrer
Lage dem langen Burschen gegenüber, der mit der An—
hänglichkeit eines Tieres an ihrer Familic hing. Und ge⸗
wiß nur ihretwegen! Endlich began sic: „Herr Kaulmann,
es ist hübsch von Ihnen, daß Sie in mer noch wie früher
meiner Mutter zu Rate gehen. Sie glauben vielleicht,
ich verdiene sehr viel Geld, das ist aber nicht der Fall. An—
ständig muß ich gekleidet gehen, sonst würde ich bald meine
Stellung verlieren. Es ist nicht alles Gold, was glänzt,
glauben Sie nur !“
Er blickte sie jetzt wieder an. Wie sie ganz anders sprach
als früher. Das war es eben, was ihn jetzt doppelt zu ihr
hinzog. Und doch hatte er das Gefühl, als würde sie ihn
jetzt mehr denn je auslachen, wenn er ihr noch einmal
zu verstehen gäbe, wie er es mit ihr meine. Er wurde
plötzlich freundlich zu ihr. Er bitte sie recht sehr, seine
Redensarten von vorhin nicht übelzunehmen. Er meine
es gut mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern, wie er es
immer gemeint habe.
Nun stand der dampfende Kaffee auf dem Tisch. All⸗
mählich vergaß Rosa, daß sie mit dem Vorsatz hergekommen
war, recht auffallend zu zeigen, wie sie sich in solcher Um⸗